Viele mögen sich bei Geschichten wie der Aufmacherstory des gestrigen KURIER gelangweilt abwenden: Immer weniger Christen in Europa – ja, eh. Wundert sich da noch jemand? Der Befund ist indes heftig.
Das geistig-kulturelle Substrat Europas zerbröselt in dramatischer Weise. Das kann oder sollte auch jenen nicht gleichgültig sein, welche zum religiösen Kern der christlichen Kirche keinen Bezug (mehr) haben. In Kombination mit dem unübersehbaren Erstarken eines – im Unterschied zum Christentum – sehr selbstbewussten Islam trägt dies zu einem Klima der Verunsicherung bei, welcher Europa nachhaltig schwächt.
Natürlich fügt sich das Phänomen in ein Gesamtbild des Vertrauensverlustes gegenüber Institutionen, von dem etwa auch Parteien oder Interessenvertretungen betroffen sind. Aber das kann für die christlichen Kirchen ihrem Selbstverständnis nach kein Trost sein.
Dass der Abwärtstrend nicht nur die katholische Kirche erfasst, zeigt, dass die dieser gegenüber notorisch vorgebrachten Kritikpunkte („Reformverweigerung“, Sexualmoral, Rolle der Frauen, Zölibat etc.) jedenfalls zu kurz greifen: auch christliche Konfessionen mit deutlich „liberaleren“ Regeln und Konventionen stehen vor ganz ähnlichen Problemen. Der deutsche Weg der Selbstzerfleischung, der seltsamerweise „synodal“ genannt wird, und mit dem man glaubt, den Anschluss an die heutige Zeit zu finden, ist in diesem Zusammenhang nur ein besonders krasses Beispiel.
Ein Beispiel freilich, das auf ein generelles Problem jedenfalls der katholischen Kirche hinweist. Die viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist und sich noch immer vielfach an Fronten abarbeitet, welche eine junge, vitale Generation von Katholikinnen und Katholiken längst nicht mehr interessieren.
Dazu kommt, dass die Kirche immer seltener jenen Mut zum Widerstand gegen den Zeitgeist aufbringt, den man eigentlich für ihren Auftrag halten möchte. Wann etwa hat man von einem österreichischen Bischof zuletzt klare Worte zur christlichen Prägung Europas, zur Herausforderung durch die (muslimische) Migration, auch zu traditionellen Werten wie Ehe und Familie gehört?
In Deutschland gibt es eine wackere Handvoll Bischöfe, welche immer wieder Kante zeigen – aber auch sie sind dissenting votes in einer orientierungslosen Bischofskonferenz. Statt sich die Finger zu verbrennen, verlegt man sich lieber auf medial zustimmungsfähige Aussagen zu Fragen des Sozialen oder der Integration, mit großen inhaltlichen Schnittmengen zu den Linksparteien.
Nein, das erklärt auch nicht alles. Und ein simples Rezept für die Wiedergewinnung von Relevanz gibt es ohnedies nicht. Aber vielleicht tut es ja gerade in einer Krise, wenn scheinbar gar nichts hilft, not, sich der eigenen Stärken zu besinnen und das Profil zu schärfen.
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