6 tote Frauen: Lautes Schweigen nach den Tragödien
Agnes Preusser
27.02.24, 18:00Groß war die Erschütterung am Wochenende: Erst wurden eine Mutter und ihre Tochter getötet aufgefunden, später drei Prostituierte in einem Bordell ermordet.
Am Montag soll zudem ein 93-jähriger Mann seine 84 Jahre alte Frau erschossen haben. Den anschließenden Suizidversuch überlebte der Pensionist schwer verletzt.
Es sind gänzlich unterschiedlich gelagerte Fälle, individuelle Tragödien. Und trotzdem: Am Montagmorgen stand fest, dass innerhalb von vier Tagen sechs Frauen in Österreich getötet worden sind. Und das in einem Land, in dem im Gegensatz zu den meisten anderen EU-Ländern in manchen Jahren ohnehin bereits mehr Frauen ermordet wurden als Männer.
Die Appelle von Opferschutzorganisationen verhallten weitgehend im Nichts, einige wenige Regierungs- und Oppositionsmitglieder zeigten sich betroffen oder empört. Und jetzt? Herrscht dröhnendes Schweigen, ganz nach dem Motto „Schlimm war’s, aber ändern kann man es eh nicht mehr.“ So wird man keine weiteren Morde verhindern.
Als Femizide – also Morde aufgrund des weiblichen Geschlechts des Opfers – gelten nicht alle der Taten. Wenn so viele Frauen innerhalb weniger Stunden sterben, sollte man sich allerdings nicht an der Begriffsdebatte aufhängen, sondern am Warum.
Denn was alle drei Taten eint, ist eine ganz essenzielle Frage: Hätte man sie verhindern können? Diese wird man allerdings nur beantworten können, wenn die Morde genau analysiert, die Hintergründe akribisch beleuchtet werden – und man sich vor allem nicht hinter politischem Populismus versteckt. Gewaltschutz hat und braucht keine politische Färbung.
Was es aber braucht, sind gesellschaftliche Rahmenbedingungen: Was bringt einen angeblichen Vorzeige-Vater dazu, die weiblichen Mitglieder seiner Familie (mutmaßlich) zu töten? Muss man die Integrationsdebatte insbesondere hinsichtlich Männern mit problematischem Frauenbild ernsthafter führen? Brauchen Menschen im hohen Alter mehr Unterstützung bei der Pflege? Müssen Opferschutzangebote noch weiter ausgebaut werden?
Von niemandem wird erwartet, jetzt schon alle Antworten, geschweige denn Lösungen darauf, parat zu haben. Dass man danach sucht, allerdings schon. Eine genaue Fallanalyse und daraus abgeleitete Maßnahmen haben das höchste Präventionspotenzial. Und so viel ist klar: Jeder verhinderte Mord ist eine ausgebliebene Tragödie.
In wenigen Tagen, am 8. März, ist Weltfrauentag. Ein guter Anlass, dieses Thema ernsthaft anzugehen. Von allen, nicht nur von ––einigen wenigen Regierungsmitgliedern.
Sechs tote Frauen innerhalb von vier Tagen müssen dazu führen, dass das zur Chefsache – und zur Chefinnensache – erklärt wird. Das wäre so viel mehr wert als Blumen.
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