Langsam wird’s brenzlig

Eine gelbe Gaspipeline vor den Flaggen der EU und Russlands.
An die Spitze wichtiger Ministerien sollten Fachleute berufen werden, die Krisenmanagement draufhaben.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Seit Russland die Ukraine überfallen hat, haben die EU-Staaten für ihre Energieimporte 35 Milliarden Euro an Putin überwiesen.

Eine EU-Milliarde floss für Waffen und Treibstoff an die Ukraine.

Auf immerhin 17 Milliarden aus dem Gemeinschaftshaushalt dürfen EU-Staaten für die Unterstützung von Kriegsflüchtlingen zugreifen. Diese Zahlen nannte Außenbeauftragter Josep Borrell am Mittwoch dem EU-Parlament. Und sie sagen eigentlich alles: Viel mehr als Hilfe für diejenigen, die in der Flucht ihr Überleben suchen, ist nicht drinnen.

Militärisch ist Europa gegenüber einer atombestückten Diktatur ziemlich machtlos. Die Regierungen in den westlichen Demokratien würden sehr schnell an Rückhalt in ihrer Bevölkerung verlieren, wenn sie sich in einen Krieg stürzen, der sie der atomaren Verseuchung aussetzt.

Die militärische Auseinandersetzung mit Russland muss die Ukraine allein führen und – so grauenhaft und aus der Zeit gefallen das ist: Die Voraussetzungen für einen Waffenstillstand werden auf dem Schlachtfeld entschieden.

Die EU versucht sich in Schützenhilfe durch Wirtschaftssanktionen. Diese werden immer mehr zum politischen Drahtseilakt: Mit jedem neuen Verbrechen, das aus den Kriegsgebieten dringt, steigt der moralische Druck, die Energieimporte aus Russland zu drosseln oder zu stoppen. Andererseits ist es nachvollziehbar, wenn die Regierungen besonders abhängiger Staaten wie Deutschland und Österreich vor einer Destabilisierung im eigenen Land warnen. Sollten sich zum aktuellen Preisauftrieb auch noch Arbeitslosigkeit und stillgelegte Industrien gesellen, würde das den – oft von Russland unterstützten – Rechtspopulisten Auftrieb geben.

Dann wäre es mit der großzügigen Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge wohl auch bald wieder vorbei.

Nein, dieses Kräftemessen ist auch politisch noch nicht ausgestanden. Und es wird einem eher bange bei der Vorstellung, wie diese personell schwach besetzte Bundesregierung in den kommenden Monaten mit den gigantischen Problemen fertig werden soll: unabsehbare Inflation und eine unsichere Energieversorgung mit all ihren dramatischen Folgen.

Österreich hat auf der Ersatzbank leider keinen Wunderwuzzi wie Mario Draghi sitzen, den man im Ernstfall einwechseln könnte. Aber man sollte jetzt wenigstens an die Spitze der Ministerien Fachleute berufen, die wissen, wie Industrie und Energieversorgung funktionieren. Jetzt sind Ideen für kurzfristiges Krisenmanagement und Fachwissen für künftige Weichenstellungen gefragt.

Im Herbst und Winter könnte es brenzlig werden. Und dabei haben wir über Corona noch gar nicht geredet.

Porträt einer lächelnden Frau mit lockigem Haar vor dem Schriftzug „Kurier Kommentar“.

Daniela Kittner

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