Staatlich entmündigt und überversorgt
Mündiger Bürger? Das ist in Österreich eher ein Fremdwort.
Mündiger Bürger? Das ist in Österreich eher ein Fremdwort. Und die Sozialversicherung ist ein gutes Beispiel dafür. Der Österreicher ist ja eher über- als unterversichert. Ein teures System, für das man ordentlich blecht.
Sollten Sie zum Beispiel als Angestellter nebenberuflich tätig sein, so haben Sie flugs die gewerbliche Sozialversicherung (SVA) am Hals. Sogar dann, wenn Sie im ASVG ohnehin schon mit dem höchstmöglichen Beitrag versichert sind. Sie werden dann eben verpflichtet, hundert Euro Unfallversicherung pro Jahr für die Nebenbeschäftigung zu zahlen – auch wenn Sie das Unfallrisiko dort für sehr beherrschbar halten.
Dafür flattert Ihnen ein Brief der SVA ins Haus, wo von einer "Versichertengrenze" die Rede ist, deren Höhe (4743 Euro jährlich) aber leider nirgendwo angeführt ist. Dafür wird für nicht rechtzeitige Meldung eine Pönale von 9,3 Prozent angedroht.
Zahltag für Patienten
In einem für Arbeitnehmer wie -geber eher unübersichtlichen System muss der Kunde (diesfalls der Zwangsversicherte) ja gar nicht verstehen, wogegen er schon wieder geschützt wird. Die SVA wird Ihren Beitrag dann an die AUVA weiter überweisen. Fragen Sie jetzt aber bitte nicht, ob wir diese neben den Gebietskrankenkassen überhaupt brauchen und warum sie sieben eigene Krankenanstalten unterhält.
Unbeantwortbar ist auch die Frage, warum wir neun unterschiedliche Leistungskataloge für Arzthonorare der Gebietskrankenkassen haben – Funktionärsbeschäftigung? Und es behaupten zwar rot-schwarze Sozialversicherungsfunktionäre in schönster Sozialpartner-Eintracht, dass das Gesundheitssystem saniert sei. Doch der Patient bemerkt vor allem, dass er mittlerweile selbst für konventionelle Behandlungen zum Zahlen genötigt wird. Das liegt am Sparkurs – aber auch daran, dass sich medizinische Koryphäen zunehmend frustriert aus dem Kassensystem verabschieden. Kaputtes Knie, Schilddrüsenproblem? "Da gehen Sie doch besser zum Wahlarzt XY. " Konsequent weitergedacht, müsste es dann aber möglich sein, freiwillig auf die – nur scheinbare – Rundum-Versorgung verzichten zu dürfen und sich nur für wirklich große Risken wie schwere Erkrankungen, Spitalsaufenthalte und Operationen versichern zu müssen.
Brauchen wir außerdem 22 Sozialversicherungen? Eine zumindest teilweise Zusammenlegung hat der Finanzminister als früherer Sozialversicherungs-Chef skeptisch betrachtet. In der neuen Funktion ändert sich das vielleicht bald. Im hochsommerlichen KURIER-Interview hatte er gemeint, dass man zuerst die Strategie und erst dann die Struktur besprechen sollte. Stimmt. Dort, wo das nicht geschah – im Schulwesen – endete es mit einem fürchterlichen Bauchfleck.
Pensionisten abkassieren
Strategisches Ziel könnte ein mündiger Bürger sein – auch im Pensionssystem. Dass man zum Beispiel seinen Frühpensionsanspruch vollständig verliert, wenn man nur einen Euro über der Geringfügigkeitsgrenze verdient, sollte überdacht werden. Und dass Bezieher einer normalen Alterspension noch einmal Sozialversicherung zahlen, wenn sie (wieder) arbeiten, ist ein Witz. Vieles ist zu strikt reglementiert, "ganz oder gar nicht" oberste Devise. Diese Unflexibilität kommt uns teuer zu stehen.
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