Zur Langsamkeit verdammt
Die Politik macht die Stadt zur Provinz.
Die Zahl der verkauften Autos in heimischen Städten sinkt. Das ist ein gutes und ein schlechtes Zeichen. Gut, weil es ein Signal dafür sein könnte, dass viele Menschen (freiwillig?) auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Schlecht, weil das meist bedeutet, dass die Wirtschaft stockt. Weil sich das österreichische Bürgertum – im Gegensatz übrigens zu den Zuwanderern – derzeit in postmaterialistischer Stimmung gefällt, wird das in Wien wohl eher als positive Nachricht aufgefasst.
Aber es bedeutet, dass wir Verlangsamung als Fortschritt betrachten. Genau das Umgekehrte erwartete man sich als Mensch vom Land, der einst in die Bundeshauptstadt für ein rasanteres Leben zog. Jetzt findet man sich plötzlich in einem Umerziehungsprojekt wieder, das uns einzureden versucht, dass Straßen und Gehwege den Radfahrern gehören und die Mehrheit der Bevölkerung Bus fahren muss – so wie es in der Provinz eben üblich ist. Radfahren ist aber nicht wie am Land ein Mittel zur Fortbewegung, sondern zur Ideologie erhoben worden: Radfahren ist gut, Autofahren schlecht. Platz für Autos wird geradezu mutwillig reduziert, Staus werden provoziert. Wenn, wie am Donnerstag in Wien und Umgebung, nichts mehr geht, dann ist das womöglich im Sinne der Umerzieher.
Städte waren allerdings immer Schnittpunkte der Mobilität. Man errichtete sie dort, wo man schnell weiterkam. Keiner käme auf die Idee, auf den pulsierenden Einkaufsstraßen der Welt so wie auf der Mariahilfer Straße eine spießige „Begegnungszone“ zu schaffen. Am Kurfürstendamm in Berlin, in der Fifth Avenue in New York, in der Oxford Street in London, der Champs-Élysées in Paris und in der Nathan Road in Hongkong fließt der Verkehr, und oft stockt er auch, was man aber nirgendwo als Bestrafungsakt für die Uneinsichtigen in ihren vierrädrigen Kisten betrachtet. Das Leben in London oder Paris spielt sich dafür auf alten historischen oder neuen, architektonisch durchdachten Plätzen ab. Möglicherweise ist es die Unfähigkeit österreichischer Stadtplaner, Plätze zu gestalten, die dann provinzielle Ideen wie „Begegnungszonen“ auf Straßen reifen lässt.
Ja, viele Wiener haben keine Lust mehr, sich ein neues Auto zu kaufen. Vielleicht verbrauchen sie ihr Geld auch lieber für Städtereisen. Mit dem Flugzeug wegfahren ist ja erlaubt. Noch.
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