Im "gallischen Dorf" dominiert die Emotion
In Österreich schwingt ein heftiger antiamerikanischer Impuls mit.
Wenn es uns gelingt, die Österreicher zu überzeugen, dann können wir ganz Europa überzeugen", sagte EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans vor einigen Wochen. Denn: Nirgendwo sonst in der EU ist die Stimmung gegen das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA ( TTIP) schlechter. Wen wundert’s? Die reichweitenstärkste Zeitung des Landes wettert im Verein mit den drei dominierenden Handelskonzernen, befeuert von praktisch allen Nichtregierungsorganisationen, dagegen. Dann ist auch noch der Bundeskanzler auf den fahrenden Zug aufgesprungen. In diesem Klima bedarf es schon einiger Tollkühnheit, um als Politiker dafür zu sein. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström kam am Dienstag zu einem Arbeitsbesuch nach Wien. Wirtschaftsminister Mitterlehner stellte sich der öffentlichen Diskussion mit ihr, ein Treffen mit dem Kanzler war nicht geplant.
Jetzt kann man bei TTIP natürlich einiges hinterfragen – die geplanten Schiedsgerichte ebenso wie die Intransparenz der Verhandlungen. Bei beidem ist die Kommission nun zu Kompromissen bereit. Das ist gut. Es wird mehr veröffentlicht, und der Investorenschutz steht zur Debatte. In Österreich liegt das Problem aber tiefer. Da schwingt ein heftiger antiamerikanischer Impuls mit. Dabei wird übersehen, dass auch Amerika vernünftige Konsumentenstandards hat und man sich dort genauso wie in Europa vor sinkender Lebensmittelqualität fürchtet. Wenn man außerdem bedenkt, dass Wachstum in nächster Zeit wohl eher außerhalb Europas stattfinden wird, dann sind engere Handelsbeziehungen mit dem amerikanischen Markt klarerweise von Vorteil. Könnte man das alles nicht langsam auch bei uns mit kühlerem Kopf diskutieren?
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