Zehn Wahl-Duelle, ein sicherer Sieger

Zehn Tage vor dem 1. Wahlgang steht bereits fest: Die verkrustete Republik wird danach eine andere sein.
Josef Votzi

Josef Votzi

Dreißig Jahre nach der "Jetzt erst recht"-Wahl Waldheims könnte ein Wechsel in der Hofburg die Republik nachhaltig verändern.

von Josef Votzi

über "Die 2 im Gespräch"

10 Talk-Runden zu je 15 Minuten und eine halbe Stunde Nachspielzeit: Gut drei Stunden Wahlkampf live im ORF waren eine doppelte Premiere. Noch nie kreuzten so viele Kandidaten und so lange die Klingen – die Kellerkinder in den Umfragen, vor allem Rudolf Hundstorfer aber auch Andreas Khol derart heftig, dass die gewünschte präsidiale Aura am Bildschirm immer wieder dahinschmolz.

Das Sendungsmotto "Jeder gegen jeden" steht prototypisch für das herrschende politische Klima – zuvorderst in den Noch-Regierungsparteien. Weil erstmals weder Rot noch Schwarz sichere Chancen auf den Präsidentenjob haben, liegen dort die Nerven blank. Auf der Habenseite dieses Wahlkampfs steht aber schon jetzt: Trotz massiver Politiker-Verdrossenheit keine Spur von Politik-Verdrossenheit. Hohe Zugriffszahlen auf Online-Medien, übervolle Säle etwa bei den KURIER-Leserdiskussionen und hohe Zuschauerquoten im TV.

Wahlkampf paradox: Panik in den Parteien, Neugierde bei den Bürgern. Der Diskussionsmarathon im ORF hat einmal mehr gezeigt: Bei fünf ernstzunehmenden Kandidaten sollte für jeden Wähler etwas dabei sein – auch für die, die vom üblichem Funktionärskauderwelsch genug haben.

Jetzt erst recht gegen Partei-Giftküchen

Hochspannend, so die ORF-Regie, wurde es gestern noch einmal knapp vor Sendeschluss. Die wahrscheinlichsten Finalpaarungen – Griss gegen Hofer und Van der Bellen gegen Hofer – trafen in Runde 8 und 9 aufeinander. Wen immer der drei die Wähler in die Stichwahl schicken, sie setzen damit auch ein Zeichen, welcher Politikertyp Zukunft hat: Der Typus Norbert Hofer, dessen Partei weiter auf Robin Hood macht, obwohl ihre Funktionäre ein Jahrzehnt danach noch immer mit der Justiz zu kämpfen haben, weil sie – endlich an der Macht – zu tief in die Staatskassa gegriffen haben sollen. Oder der Typus Alexander Van der Bellen, der zwar in einer Partei fest verwurzelt ist, aber nicht nach Funktionär riecht und politische Breite ausstrahlt. Oder der Typus Irmgard Griss, die Zeit ihres Lebens politisch interessiert war, aber mit Parteien nichts am Hut hatte – und die demonstrative Unabhängigkeit einer Richterin auch im Unruhestand lebt. Griss platzierte diese Botschaft in allen Duell-Runden: "Ich muss keiner Partei dankbar sein."

Die Umfragen der nächsten Tage werden zeigen: Das "Catch as catch can" wie zuletzt im Nationalratswahlkampf, mit dem vor allem die Umfrageaußenseiter punkten wollten, könnte neuerlich zum Bumerang werden. Immer mehr Wähler haben Schlammschlachten, aufmunitioniert von den Giftküchen der Parteien, satt.

Nach dem Duell-Marathon Donnerstagnacht steht fest: Dreißig Jahre nach der "Jetzt erst recht"-Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten könnte ein Wechsel in der Hofburg die Republik einmal mehr nachhaltig verändern. Damals war es der Startschuss zur überfälligen Vergangenheitsbewältigung. 2016 könnte es der Beginn des Aufbruchs des verkrusteten Parteienstaats werden.

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