Wer will noch eine „g’schminkte Leich’“?

Wer immer als Erster durchs Wahl-Ziel geht: Spielentscheidend ist die Absage an Politik by Dauerpolemik.
Josef Votzi

Josef Votzi

Spielentscheidend fürs Land wird nicht sein, wer als Erster durchs Ziel läuft.

von Josef Votzi

über Spindeleggers Kanzler-Ambitionen

Jetzt ist sie also raus, die Kampfansage um den ersten Platz: „Ich will Kanzler werden“, verkündete Michael Spindelegger diese Woche in der imperialen Kulisse der Hofburg – samt ungewohnter Polemik gegen den amtierenden Kollegen am Ballhausplatz: „Nicht um Kanzler zu sein, sondern um zu handeln.“

Ein schwarz-rotes Kabinett gab es zuletzt in den 60er- Jahren, wäre also eine Jahrhundert-Premiere. Das einzige Mal danach, dass die ÖVP als Nr. 1 durchs Ziel lief, war 2002: Damals entschied sich Wolfgang Schüssel für eine Verlängerung der Mesalliance mit Blau-Orange. Hätte die ÖVP damals stattdessen weitsichtiger für Grün oder Rot optiert, sähe die Parteienwelt heute ganz anders aus. 2013 verbaut FPÖ-Chef Strache mit seinem Geisterfahrer-Kurs („Zurück zum Schilling“) die schwarze Abbiegespur Richtung Blau. Grün oder Gelb werden für eine Mehrheit am 29. September nicht reichen.

Bleibt nach Stand der Dinge nur eine Neuauflage der Koalition der beiden noch größten Parteien – unter welcher Kanzlerschaft auch immer. Denn so entnervend laut das die Parteisekretäre beider Lager in den kommenden 19 Wochen auch trommeln werden: Spielentscheidend fürs Land wird nicht sein, wer als Erster durchs Ziel läuft, sondern was Sieger und Besiegter hinterher daraus machen.

Der Kanzler-Job hat zwar hohen politischen Symbolwert. Anschaffen kann der sogenannte Regierungschef nur den paar Dutzend Beamten des Kanzleramts etwas. Selbst bei den parteieigenen Ministern ist er rein formal auf Goodwill angewiesen – vom Koalitionspartner erst gar nicht zu reden, wie das jüngste öffentliche Gezeter zwischen Faymann und Fekter in Sachen Bankgeheimnis unter Beweis stellte. Eine Richtlinienkompetenz wie sie etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat, wurde hierzulande oft herbeigewünscht, bleibt aber Chimäre.

Kanzlerformat statt Abkanzeln

Wie es dennoch gelingt, eine schwarz-rote oder rot-schwarze Beziehungskiste so aufzufrischen, dass sie nicht endgültig zur „g’schminkten Leich’“ (Ex-VP-Abgeordneter Ferry Maier im Format ) verkommt, leben zwei Steirer vor: Hermann Schützenhöfer und Franz Voves lieferten sich 2010 eine Wahl-Schlammschlacht von einmaliger Brutalität. Der schwarze Herausforderer hatte gute Chance, den Roten vom Thron zu stoßen, unterlag aber klar. Danach machten beide über Nacht Schluss mit der Politik by Dauerpolemik und schnürten gegen heftigste interne Widerstände ein hochambitioniertes Spar- und Reformpaket: Gemeinde- und Bezirkszusammenlegung im großen Stil, Schließung von überflüssigen Krankenhäusern oder Spitalsabteilungen, Nulllohnrunden für Landesbedienstete und Ähnliches mehr.

Auch zwei Jahre danach leben beide eine Polit-Partnerschaft ohne Haxelbeißerei, von der Wien nur träumen kann. Wenn, dann nur so, würde eine Verlängerung der größeren Koalition im Bund Sinn machen – wer auch immer im Herbst rechnerisch die Nummer eins ist.

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