Überinszeniert

Bundeskanzler Sebastian Kurz überlässt nichts dem Zufall und hat einen Hang zur Abschottung.
Martina Salomon

Martina Salomon

Sebastian Kurz setzt auf plakative Inszenierung.

von Dr. Martina Salomon

über türkise Inszenierung

Manche Fotos prägen das Bild einer Regierung. Ganz oft sind das welche, die sich die Regierenden nicht ausgesucht haben: Wolfgang Schüssel am Beifahrersitz in Haiders Porsche. Und ein buchstäblich ausgerutschter Kanzler beim Eisstockschießen.

Bei der Neuauflage derselben Koalition versucht nun der neue Regierungschef, sich die Regie nie abknöpfen zu lassen. Fotografen waren daher in der Opernball-Loge der Regierung nur bedingt zugelassen. Das mag dem überbordenden medialen Interesse und der Vermeidung unschicklichen Gedränges geschuldet sein, aber Türkis-Blau setzte schon bisher auf kontrollierte Inszenierung. Das entspricht zwar den internationalen, aber nicht den bisher viel lockereren heimischen Usancen.

Zunehmend versuchen auch demokratisch gewählte Politiker, Medien in ihrem Sinne zu steuern. Allerdings ist das auch eine Folge halblustiger Methoden der internationalen Pressefotografie. Diese agiert immer brachialer, um an einen Schnappschuss zu kommen (wobei es da eher um Celebrities als um Politiker geht).

Gelegentlich wird auch mit zweierlei Maß gemessen. Als einst (die rote) Ministerin Claudia Schmied auf ihrem Gang in den Ministerratssaal vor der Medienmeute der Länge nach hinfiel, murmelte sie zornig: "Na, da habt’s jetzt euer Foto." Doch alle waren fair, niemand brachte es. Was wäre, würde dies heute einem Minister passieren? Die Häme ist ein Hund! Das weiß Kurz – und setzt auf plakative (man könnte natürlich auch sagen: professionelle) Inszenierung. Siehe seine Opernball-Gästeliste: eine afrikanische Menschenrechtsaktivistin, ein homosexueller Ministerpräsident, eine elegante Hundertjährige. Er nutze die Gelegenheit zu "politischen Ausrufezeichen", schrieben deutsche Medien. Für seriösen Journalismus bleibt das eine Gratwanderung: Wir werden und wollen authentisch berichten. Aber wir sind keine Hofberichterstatter.

Kommentare