Am harten Brexit die Zähne ausgebissen

Lehre aus Mays Desaster: Selbst in Großbritannien gewinnt man keine Wahl mit dem Feindbild EU.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Großbritannien ist Europa wieder ein Stück näher gerückt

von Mag. Konrad Kramar

über die Folgen der Wahl

In eine "Brexit-Schlacht" gegen Brüssel wollte Theresa May ziehen, doch ihre Landsleute wollten da nicht mit. Wenn sich aus dem Ergebnis dieser Parlamentswahl etwas über die aktuelle Haltung der Briten zum EU-Austritt ablesen lässt, dann, dass er sie inzwischen ziemlich kalt lässt. Der eigentliche Sieger dieser Wahl, der deklariert linke Labour-Chef Jeremy Corbyn, umschiffte das Thema großzügig und kümmerte sich um jene Themen, die die Briten nach sieben Jahren konservativer Sparpolitik viel wichtiger nehmen: Gesundheits- und Sozialpolitik und natürlich Arbeitsplätze. Dem humorvollen Altlinken in Hochwasserhosen nahm man das ehrliche Engagement für diese Themen ab.

May kann sich jetzt stur und mit einem zweifelhaften Koalitionspartner an die Macht klammern. Wenn sie den Kurs auf den harten Brexit – EU-Austritt mit dem Abbruch aller Brücken – durchzuziehen versucht, wird sie scheitern. Gerade die jungen Wähler, die Corbyns völlig überraschende Aufholjagd vorangebracht haben, sehen wenig Sinn in einem neuen britischen Isolationismus – auch wenn der mit ein bisschen Weltreich-Nostalgie überschminkt wurde. Sie mögen die EU vielleicht nicht lieben, keine glühenden Pro-Europäer sein, aber sie sehen die unterm Strich positiven Auswirkungen auf ihre persönliche Zukunft. Corbyn hat sich beim Thema Brexit darauf beschränkt, dass das Sichern britischer Jobs das wichtigste Ziel der Verhandlungen mit der EU sein müsse. Dass der kompromisslose EU-Austritt und das Errichten von Zollschranken dabei wenig hilfreich ist, dämmert ein Jahr nach dem Brexit-Referendum auch vielen Anhängern des Austritts. Großbritannien ist nach dieser Wahl Europa wieder ein Stück nähergerückt.

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