London wird Europa auf die Nerven gehen

Die konservative Regierung wird die EU nicht verlassen, aber dafür ständig Extrawürstel braten.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Die konservative Regierung wird ständig Extrawürstel braten.

von Mag. Konrad Kramar

über Premier Cameron

Nun sind sie also weg: Labour-Chef Ed Miliband, der sich unglaubwürdig als echter Linker präsentiert hatte, aber auch der in den Augen vieler Konservativer vor allem lästige pro-europäische Koalitionspartner: die Liberaldemokraten. Im Verständnis eingefleischter Tories ist man nun endlich dort angelangt, wo man eigentlich schon vor fünf Jahren hätte landen sollen: In einer Alleinregierung, in der man sich, wie es Tradition in der britischen Politik ist, nicht um irgendwelche Koalitionspartner, sondern viel mehr um die störrischen Flügel in der eigenen Partei zu kümmern hat. Und störrische Flügel haben bei den Tories Tradition. Wenn also aus Schottland, das nun in Alleinherrschaft der linksnationalistischen SNP ist, demnächst der Ruf nach mehr Autonomie ertönt, werden viele der eigenen Parteikollegen aus allen Ecken Englands einstimmen: Auch sie fordern für ihre Städte und Regionen mehr Eigenständigkeit, vor allem aber mehr eigenes Geld. Denn wenn sich Schottland nicht mehr von der übermächtigen Zentralgewalt London gängeln lassen will, müsse das doch für Englands Norden von Leeds bis Manchester genauso gelten.

Europagegner am rechten Parteiflügel

Die andere Zentralgewalt, mit der man bei den Tories traditionell keine Freude hat, ist Europa. Der Wirtschaftsflügel betrachtet die EU-Mitgliedschaft als Mittel zum Zweck, um sich den freien Zugang zum europäischen Markt zu sichern, und will ansonsten mit der Sache nicht allzu viel zu tun haben. Die Europagegner am rechten Flügel können sich dagegen in Ärger und Angst vor Europa hineinsteigern, wie es selbst Nigel Farage mit seiner EU-Austritts-Partei UKIP kaum konnte.

Farage ist mit einer Wahlniederlage in der politischen Bedeutungslosigkeit versunken. Die Europaskeptiker-Bühne gehört also wieder den rechten Tories, und die werden sie nützen, um die Volksabstimmung über die britische EU-Mitgliedschaft einzutrommeln, die Cameron ja für spätestens 2017 zugesagt hat. Ein "Ja" für den Austritt aus der EU scheint derzeit unwahrscheinlich, auch weil die Regierung und mit ihr die britische Industrie sich für die Mitgliedschaft starkmachen werden. Das wird die Gegner nicht davon abhalten, ständig den Briten die EU madig zu machen, vor allem aber Cameron als Schwächling dastehen zu lassen, der sich wieder von Brüssel auf der Nase herumtanzen lässt.

Der Premier steht also innen- und europapolitisch unter Druck. Wie er dem auf der Insel begegnet, mag seine Sache sein. Europa wird die britische Profilierungsneurose gepaart mit handfestem wirtschaftlichen Egoismus wohl noch mehr als bisher ertragen müssen. Ein langjähriger enger Vertrauter Camerons hat dem KURIER erst in der Vorwoche in London erzählt, dass Europa dringend mehr britische Geisteshaltung nötig habe, um auf die Füße zu kommen. Wenn man an diverse Vertragsblockaden und Ausnahmeregelungen für London der letzten Jahre denkt, klingt das wie eine Drohung.

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