Die Kraft des Optimismus

Im Fußball auf der Gewinnerstraße zu sein, heißt auch positiv in die Zukunft eines Landes zu blicken.
Martina Salomon

Martina Salomon

Im Fußball auf der Gewinnerstraße zu sein, heißt auch positiv in die Zukunft eines Landes zu blicken

von Dr. Martina Salomon

über Fußball und Wirtschaft

Darf man an einem Tag wie heute über etwas anderes als Fußball schreiben? Nein? Also gut: Wir sollten uns wünschen, dass die Deutschen Fußball-Weltmeister werden. Denn eine optimistische Grundstimmung beflügelt die Wirtschaft, was im Windschatten auch Österreich nutzt. 2006 ließ sich das gut studieren: Davor galt Deutschland als "kranker Mann Europas", die Wiedervereinigung hing wie Blei an den Nerven und den Staatsfinanzen der Deutschen. Sie verstießen gegen den Stabilitätspakt der EU und selbst die sonst so belächelten Ösis spielten sich als die "besseren Deutschen" auf.

Dass Deutschland wieder zur ökonomischen Supermacht mit dem weltweit viertgrößten Bruttoinlandsprodukt (nach den USA, China und Japan) aufgestiegen ist, hatte dann viel mit Lohnzurückhaltung und Sozialkürzungen zu tun. Doch wirklich sichtbar bergauf ging es nach der Fußball-WM in Deutschland. Bei strahlendem Wetter und Party-Laune wurde sie zum "Sommermärchen". Plötzlich sah man die korrekten Deutschen, ja selbst die spröde (damals neue) Kanzlerin Merkel euphorisch den Fußballern zujubeln. Der Spiegel konstatierte "weltoffenen, unverklemmten Patriotismus." Deutschland spielte gut, wurde Dritter, und plötzlich schien auch alles andere bewältigbar. Merkel selbst sprach im Bundestag das "Potenzial an Begeisterung und Fröhlichkeit" an, das in diesem Lande stecke. Deswegen werde man auch die anderen Herausforderungen meistern. Sie behielt recht. Mittlerweile redet niemand mehr vom kranken Mann – sondern darüber, dass Deutschland für Resteuropa eigentlich wirtschaftlich zu stark ist. So gesehen bräuchte der Pleitekandidat Argentinien natürlich einen Sieg viel, viel mehr als Deutschland – aber dort mangelt es grundlegend an einer ernsthaften Politik.

Raus aus der Komfort-Zone

Kein Wunder also, dass auch die österreichische Regierung derzeit versucht, die Kraft des Optimismus zu beschwören, zuletzt gemeinsam bei der Präsentation des Wirtschaftsberichts. Nur leider nimmt ihr das niemand ab. Und ein erfolgreiches Sport-Ereignis zur Stärkung der Volksseele und des Reformmutes der Politik ist weit und breit nicht in Sicht. Das ist schlecht, denn Wirtschaft ist auch Psychologie. Die Finanzmärkte reagieren selten nur rational, selbst Ratingagenturen und Wettbewerbsvergleiche geben wieder, was an Stimmung in der Luft liegt. Da erkennt man viel Enttäuschung, Politikverdrossenheit und immer weniger Stolz auf das Land.

Schade, denn Österreich hat sehr viel Potenzial, ist in vielerlei Hinsicht noch immer herausragend gut, müsste aber die selbstbetrügerische Komfort-Zone verlassen. Doch dazu scheint die große Koalition (trotz starker Warnzeichen am Horizont) nicht in der Lage zu sein. Damit gewinnt man kein Populismus-Match. Einiges – aber bei Weitem nicht alles! – ließe sich von den Deutschen abschauen. Das geht über Fußball durchaus hinaus.

Kommentare