Häupl muss gehen, sein Kurs muss bleiben

Daniela Kittner

Daniela Kittner

Was sich derzeit in der Wiener SPÖ abspielt, verdient mehr Aufmerksamkeit als übliche parteiinterne Funktionärs-Raufhändel. Bei dem Machtkampf um die Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl geht es um eine Richtungsentscheidung: Wird die liberale Großstadtpolitik fortgeführt, auch wenn Michael Häupl demnächst sein Amt abgibt? Oder wird angstgetriebener Populismus den Ton im Rathaus angeben?

Wenn man so will, ringen auf der Wiener Bühne dieselben Kräfte miteinander wie auf der großen Weltbühne. Seit in den USA der Populismus gesiegt hat, ist zu befürchten, dass auch anderswo die Schamgrenzen fallen. So nach dem Motto: Wenn der US-Präsident, der Führer der freien Welt, Ausländer pauschal als Kriminelle verdächtigen und laut über deren Massendeportation nachdenken darf, ja warum soll das dann ein Wiener Kommunalpolitiker nicht dürfen?

Wollen wir das? Ein Viertel der Wiener Wohnbevölkerung besitzt keine österreichische Staatsbürgerschaft. In Wien leben orthodoxe Juden, Moslems, Christen und Bekenntnislose auf engstem Raum. Zuwanderer aus den Bundesländern, den Nachbarstaaten und aus ferneren Weltgegenden haben hier ein Zuhause gefunden. Wollen wir, dass zwischen all diese Gruppen Misstrauen gesät wird? Dass die Probleme, die es im Zusammenleben selbstverständlich gibt, zum Spielball von Partei- und Machtpolitik werden?

Sollten die Populisten in Wien die Oberhand gewinnen, hätte das auch Auswirkungen auf ganz Österreich. Zum einen würde dies die Kräfteverhältnisse in der SPÖ massiv zugunsten jener Fraktion verschieben, die eine Koalition der SPÖ mit der FPÖ ermöglichen wollen. Mit der Wiener SPÖ würde wohl auch die Bundes-SPÖ in Richtung Rot-Blau kippen. Dies könnte wiederum bis zu einer Spaltung der SPÖ führen oder zumindest zu einem gewaltigen Aderlass bei kommenden Wahlen in Richtung Grüne und Neos.

Zum zweiten würde Österreich aus der Balance geraten. Derzeit bildet die liberale Großstadt Wien einen atmosphärischen Gegenpol zum gesellschaftspolitisch eher konservativen Land. Das wurde zuletzt bei der Stichwahl zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer deutlich. Grüne Städte, blaues Land. Färbt sich Wien auch noch in populistisches Blau, würde Österreich ein schönes Stück Buntheit verlieren.

Wünschenswert wäre, dass die SPÖ-Wien zu einem Kurs der liberalen Mitte findet. Jedes andere Szenario führt zu einer Ausprägung der Extreme. Insofern haben sich die Flügelpersonen beider Streitparteien - Sonja Wehsely und Michael Ludwig - für die Häuplnachfolge disqualifiziert. Das Zusammenleben in der Stadt erfordert eine Persönlichkeit mit Integrationskraft an der Spitze.

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