Gefährlich naiv

Die Votivkirche ist noch immer besetzt. Den Anliegen von Asylwerbern wird damit nichts Gutes getan.
Martina Salomon

Martina Salomon

Die Aktion dient weder den Betroffenen noch der Sache

von Dr. Martina Salomon

über die Asylsituation in Österreich

„Flucht ist kein Verbrechen“, sagt die katholische Aktion, und damit hat sie recht. Jeder einzelne Fall ist ein Drama, je näher man ihn betrachtet, desto mehr. Dennoch ist gefährlich naiv, wer glaubt, die Republik könne sich von den Aktivisten in der Votivkirche erpressen lassen. Die Aktion dient weder den Betroffenen noch der Sache und löst bei den Bürgern „da draußen“ deutlich mehr Aggression als Verständnis aus.

Faktum ist, dass sich in den letzten Jahren die Situation bei den Asylverfahren in Österreich extrem verbessert hat. Jahrelange Ungewissheit wie früher gibt es kaum noch. 80 Prozent der Verfahren werden innerhalb von drei bis sechs Monaten abgeschlossen.

Es gibt auch kein generelles Arbeitsverbot. Wer für das Asylverfahren zugelassen ist, darf schon nach wenigen Monaten als Saisonarbeiter in der Gastwirtschaft oder als Erntehelfer arbeiten. (Dass die Verdienstgrenze, ab der man das Geld für die Grundversorgung verliert, in den Bundesländern unterschiedlich geregelt ist, ist natürlich absurd – und typisch österreichisch.) Eine generelle Arbeitserlaubnis, wie sie manche fordern, wäre aber heikel. Einerseits, weil die Arbeitslosigkeit unter Österreichern (und EU-Bürgern) steigt. Andererseits, weil sich das prompt unter kriminellen Schlepper-Organisationen herumsprechen und den Asylwerber-Druck auf Österreich vergrößern würde.

Innenministerin Mikl-Leitner hat in Sachen Votivkirche Fingerspitzengefühl bewiesen und eine Eskalation vermieden. Menschenwürdige Quartiere für die Betroffenen stehen längst bereit. Die „Besetzer“ (die sich nicht nur in der Kirche, sondern auch am Uni-Institut für Soziologie niedergelassen haben) sollten sich von der Gruppe, die sie zur Aktion gedrängt hat, nicht länger instrumentalisieren lassen. Möglicherweise sind diese Aktivisten jetzt ohnehin anderweitig beschäftigt – zum Beispiel mit Aufmarschplänen gegen den Burschenschafterball in der Hofburg am Freitag.

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