Bürger nicht für blöd verkaufen!

Die Zeit ist reif für mehr direkte Demokratie. Je mehr die Bürger betroffen sind, desto stärker sollte man sie einbinden.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wäre die Zeit dafür denn nicht eigentlich jetzt schon (über)reif?

von Dr. Martina Salomon

über direkte Demokratie

Je mehr die Bürger betroffen sind, desto stärker sollte man sie einbinden. Die Stimmen-Auszählung nach der US-Wahl dauert nicht deshalb so lange, weil die „Amis“ unfähig wären, sondern weil neben dem Präsidenten Dutzende andere Themen abgestimmt wurden: von der Homo-Ehe bis zum legalen Hasch-Konsum, vom lokalen Sheriff bis zum Schuldirektor. Das ist Demokratie.

Bei uns ist diese Form der Bürgerentscheidung gerade in Mode. Aber nur dann, wenn sich Regierungsparteien nicht einig sind, wie etwa bei der Volksbefragung übers Bundesheer. (Wie die äußere Sicherheit eines Landes zu gestalten ist, wäre allerdings ureigenste Aufgabe einer Bundesregierung.) Wenn es hingegen um die regionale Gestaltung der persönlichen Lebenswelt von Bürgern geht, werden diese gern für blöd verkauft und vor vollendete Tatsachen gestellt. Gerne geben sich Regionalpolitiker unwissend, um nicht mit der Wahrheit herausrücken zu müssen. Beispiele dafür gibt’s genügend. Irgendwo rund um Wien könnte zum Beispiel ein großes „Laufhaus“ entstehen. Aus Angst vor Anrainerprotesten hält man das geheim, wie halt in gemäßigten Diktaturen so üblich. Das war auch beim Ute-Bock-Haus in Wien-Favoriten so und beim (dann gescheiterten) Erst­aufnahmezentrum im burgenländischen Eberau.

Ja, es ist gelegentlich mühsam, sich mit den Bürgern auseinanderzusetzen, die (oft zu Recht) Sicherheitsprobleme und Entwertung ihrer Grundstücke befürchten. Logisch, dass nicht alles basisdemokratisch gelöst werden kann. Aber ist nicht erklären, auf Bedenken vernünftig reagieren und dann klar entscheiden einer aufgeklärten Demokratie im 21. Jahrhundert eher angemessen als Drüberfahren? Verdienstvollerweise hat Integrations-Staatssekretär Sebastian Kurz schon im Mai ein „Demokratiepaket“ vorgelegt. Darüber wird nun zwischen Rot und Schwarz verhandelt. Aber erst in der nächsten Regierungsklausur soll es dann Thema sein. Wäre die Zeit dafür denn nicht eigentlich jetzt schon (über)reif?

Pseudo-Bürgerbefragung

In Wien hat sich übrigens eine eigene Spielart der Volksbefragung entwickelt: die Pseudo-Bürgerbefragung. Man einigt sich im Vorfeld auf ein werbewirksames Thema (etwa die Nacht-U-Bahn) lässt sich nach dem erwarteten Ergebnis plus längst geplanter Umsetzung ausgiebig für „Bürgernähe“ feiern. Hat super funktioniert. Inzwischen gab es allerdings einen kleinen Parkpickerl-Gau. Doch wenn die Rathausmänner(-frauen) auch dazu eine Strategie erfunden haben, wird ihnen sicher die passende Suggestivfrage für das Volk einfallen.

Sehen wir’s positiv: Nach der Heeresabstimmung im Jänner werden Regierungen in Bund und Ländern auf den Geschmack kommen und das Volk nicht nur dann fragen, wenn sie selbst keine Antwort wissen. Demokratie heißt mitentscheiden. Je direkter Bürger von politischen Entscheidungen betroffen sind, desto direkter sollten sie abstimmen dürfen: ehrliche Fragen, klare Alternativen, bevor Fakten gesetzt wurden.

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