1-Euro-Jobs sind kein Fall für billige Polemik
1-Euro-Jobs sind kein Fall für billige Polemik: Viele Bürgermeister bieten bereits sinnvolle Arbeit.
Er ist einer von fast hunderttausend; seine Geschichte steht aber für viele. Sami, 22, hatte das Riesenglück, bei einer Familie unterzukommen, die sich rührend um ihn kümmert – und hätte damit beste Startchancen in seiner neuen Heimat. Dank Deutschkurs wird er bald die "A2+"-Prüfung für Fortgeschrittene ablegen; in seinem Rugby-Club hat er sich für die Kampfmannschaft qualifiziert; er beherrscht nun auch die Grundrechenarten und das Alphabet. Der Ehrgeiz des afghanischen Flüchtlings, auf eigenen Beinen zu stehen, stößt aber seit einem Jahr an unüberwindliche Grenzen. "Sami würde seine viele Freizeit liebend gerne mit Arbeit ausfüllen", sagt seine Quartiergeberin. Bis Abschluss seines Asylverfahrens ist er zum Nichtstun gezwungen – und dieses ist noch nicht einmal eröffnet.
Sebastian Kurz hat recht, wenn er proklamiert: Wir dürfen nicht länger wegschauen, dass Zehntausende Flüchtlinge nichts zu tun haben. Der Integrationsminister hat mit seiner plakativen Forderung nach 1-Euro-Jobs für arbeitslose Asylberechtigte eine wichtige Debatte angestoßen. Sie ist kein Fall für billige Polemik. Fachleute wie AMS-Chef Kopf fordern schon lange mehr Initiativen für einen zweiten Arbeitsmarkt. Bürgermeister improvisieren bereits erfolgreich mit gemeinnützigen Jobs, wie ein KURIER-Report belegt: Asylwerber können sich mit Müll sammeln oder Hecken stutzen zwischen ein und fünf Euro dazuverdienen. Die Abwechslung und das Taschengeld, das die Gelegenheitsarbeiten bieten, sind derart begehrt, dass Flüchtlingshelfer sie als sanftes Druckmittel einsetzen: "Nur wer brav in die Deutschkurse geht, darf auch arbeiten." Viele Gemeindechefs rühren wegen offener Rechtsfragen wie Unfallversicherung und gesetzlicher Hürden wie die niedrige Höchstverdienstgrenze von 110 €/Monat das Thema aber nach wie vor lieber nicht an.
Vorbild Lehre: Billigjob & Ausbildung koppeln
In Deutschland ist man politisch einmal mehr etwas weiter. Die schwarz-rote Koalition zieht hier an einem Strang. Die deutsche SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles hat erst jüngst bekräftigt: Im geplanten Integrationsgesetz sollen Anreize für 100.000 Ein-Euro-Jobs für Asylwerber geschaffen werden: 300 Millionen Euro hat CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble für die Finanzierung dieser 1-Euro-Jobs budgetiert. Ein Viertel der Jobs soll direkt in der Flüchtlingshilfe geschaffen werden.
Da muss auch hierzulande aus der Politik dringend mehr kommen als "1-Euro-Jobs sind Unsinn". Die Warnungen vor Lohn- und Sozialdumping wären berechtigt, wenn es um Jobs am herkömmlichen Arbeitsmarkt und in Privatunternehmen ging. Bei der Forderung nach 1-Euro-Jobs für die "Samis" Österreichs geht es nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern neue Angebote für neue Herausforderungen zu schaffen. Hier sind Kreativität, Flexibilität und neue Denkansätze gefordert: Etwa nach Vorbild des dualen Systems, in der Lehrlingsausbildung 1-Euro-Jobs zu befristen und zwingend mit einer Aus- und Weiterbildung zu verknüpfen.
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