Ja, das ist das Wunderteam

Zündstoff: Falsches Täter-Profil
Zündstoff: Jahrzehntelang wurde Spanien als furia rioja, das wie betrunken herumtorkle, verspottet.
Jürgen Preusser

Jürgen Preusser

Jahrzehntelang wurde Spanien als Geheimfavorit gehandelt, doch große Titel blieben der furia roja stets verwehrt, wenn man von der damals noch nicht ernst genommenen Europameisterschaft 1964 absieht. Kritiker nannten das zusammengewürfelte Star-Ensemble schon furia rioja, das wie betrunken herumtorkle. Hinter den regelmäßig wiederkehrenden herben Enttäuschungen wurden unüberbrückbare Differenzen zwischen Katalonien, zum Teil auch dem Baskenland und dem Rest von Spanien geortet. Und dann passierte Wundervolles: Es gibt im Fußball kaum eine Rivalität, die mit mehr Leidenschaft ausgelebt wird als jene zwischen FC Barcelona und Real Madrid. Doch plötzlich gelang es den Superstars dieser beiden Milliardenunternehmen alle Kritiker zum Schweigen zu bringen. Spätestens bei der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz gelang die Quadratur des Kreises. Vielleicht trug die Tiroler Bergluft im Teamcamp der Spanier damals ein bisschen dazu bei, dass die Spanier erstmals echte Höhenluft schnuppern durften. Da ist es allerdings noch wahrscheinlicher, dass das 9:0 gegen Herbert Prohaskas Österreicher (im März 1999 in Valencia ) eine Art Initialzündung war. Jetzt müssen selbst jene Kritiker, denen das fast fehlerlose Tiki-Taka der Spanier schon zu viel geworden war, zugeben, dass es in der Fußball-Neuzeit noch nie ein dominanteres Team gegeben hat. Innerhalb von vier Jahren und zwei Tagen hat Spanien drei große Titel gewonnen und als erstes Team überhaupt den Europameistertitel erfolgreich verteidigt. Das gelang zuletzt Uruguay in der Fußball-Steinzeit mit den Olympiasiegen 1924 und 1928 sowie dem Sieg bei der WM-Premiere 1930. Das ist immerhin 82 Jahre her. Keiner der damals Aktiven ist heute noch am Leben. So heldenhaft sich die Italiener gegen Deutschland im Semifinale durchgesetzt hatten, so chancenlos waren sie im Finale von Kiew. Dabei hatten viele behauptet, dass der Stern dieses Wunderteams im Untergehen begriffen ist. Wunderteam? Nein, diese Bezeichnung ist nach so vielen Jahren keine fußballerische Blasphemie mehr. Dem Finale fehlte durch die erdrückende Überlegenheit der Spanier jegliche Spannung – das ist der einzige Nachteil dieser Fußball-Kunst. Doch weit gefehlt: Spanien ist nicht unbesiegbar, aber so gut wie. Und es stellt trotz einiger Ausfälle das mit respektablem Abstand beste Nationalteam der Welt. Das Märchen, das vor vier Jahren beim Endspiel im Wiener Ernst Happel Stadion begonnen hat, geht weiter.

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