Gedenken an Poisson: Saisonstart mit Trauerflor

Der Höhepunkt: 2013 eroberte Poisson WM-Bronze.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Nach 17 Rennjahren verließen das 1.72 Meter kleine Energiebündel die Schutzengel.

von Wolfgang Winheim

über David Poisson

Österreichs Speedspezialisten werden am Freitag bei ihrem ersten Saison-Rennen mit Trauerflor starten. Im Gedenken an David Poisson. Der Franzose umarmte vor vier Wochen noch schluchzend Teamkollegen, weil sie seinem an Krebs verstorbenen Vater die letzte Ehre erwiesen hatten.

Poisson galt als besonders feiner Kerl. Als wunderbarer Verlierer, den hierzulande, wäre er Österreicher gewesen, wohl Boshafte mit der Frage "Wann hört der Alte endlich auf?" aus dem Team geschrieben hätten.

Mann ohne Feinde

Poisson ließ Junge, die ihn danach besiegten, von seinen Tipps profitieren. Statt Rennen gewann er Sympathien. Er lachte vor Glückseligkeit, nachdem er bei der WM 2013 in Schladming zum einzigen Mal in seiner Karriere aufs Podest gefahren war. Er lächelte zufrieden, wenn er unter die Top 15 fuhr. Er lächelte demütig, wenn er unversehrt ins Ziel kam. Ja er lächelte sogar (wenn auch gequält), als er nach einem Horrorsturz in Gröden trotz eines gerissenen Kreuzbandes in der TV-Kabine als Assistent des Französisch-Schweizer Fernsehens saß, "weil ich dem Kommentator das so versprochen hatte."

Nach 17 Rennjahren verließen das 1.72 Meter kleine Energiebündel die Schutzengel. Bei einer Trainingsfahrt in Nakiska verlor Poisson einen Ski. Zwei Sicherheitsnetze hielten dem Druck des Aufpralls nicht stand. Das Leben des 35-jährigen Vaters eines 20 Monate alten Buben endete an einem Baum.

Berg ohne Schutzengel

Der kanadische Unglücksberg hatte schon bei Olympia 1988 seine Opfer gefordert, als Slalomläufer von der vereisten Trainingspiste abkamen und mit gebrochenen Beinen im Wald liegen geblieben waren. Und als es für den österreichischen Olympiaarzt Jörg Oberhammer keine Rettung mehr gab, nachdem der renommierte Innsbrucker Chirurg unter die Raupen eines Pistenfahrzeuges geraten war.

In Nakiska wurde in diesem Jahrtausend nie mehr um Weltcuppunkte gefahren. Die alpine Speed-Saisonpremiere findet wie alle Jahre wieder im 65 Kilometer entfernten Lake Louise statt ...

...wo Highwayschilder signalisieren, das man sich im "Home of Grizzly" befindet;

wo die Bären schon Winterschlaf halten, aber hungrige, raubtierähnliche Schneekatzen nicht erst einmal um die Ski-Container schlichen;

wo die Starter aller Nationen unter dem riesigen Hoteldach des Chateau am zugefrorenen See logieren;

wo nur zwei Mal täglich das Pfeifen der Pacific Western Railway die faszinierende Stille im Naturpark der Provinz Alberta unterbricht;

wo Hermann Maier im November 2008 vor nur 78 Augenzeugen (exklusive Weltcup-Staff) zum letzten Mal in seiner Karriere siegte;

wo u.a. Olympiasieger (Fritz Strobl) und Weltmeister (Jan Kucera) ernsthaft verletzt auf der vermeintlich leichten Strecke blieben;

und wo Lindsey Vonn am Wochenende in der Herren-Abfahrt starten wollte.

Frau ohne Chance

Vonns Wunsch wurde von der FIS abgeschmettert. Was niemand im Alpinzirkus außer der publicitysüchtigen US-Skiqueen und den kanadischen Veranstaltern bedauert. Letztere versuchen seit Jahren vergeblich, Renn-Publikum nach LL zu locken.

Wochenendgäste aus Calgary zogen es bisher vor, lieber selbst skizufahren. Am Sessellift frierend, wussten sie oft gar nicht, dass unter ihnen die weltbesten Abfahrer um die Wette rasten. An der Weltcup-Ignoranz wird auch die Tragödie Poisson nichts ändern. Zumal nordamerikanische Medien die kaputte Zehe eines Football- oder Hockey-Cracks mehr beschäftigt als der Tod eines europäischen Skirennfahrers.

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