Das Fußball-Geschäft mit der Jugend

Erster Trainer im Staat: Teamchef Marcel Koller
Trotz Imageproblemen machen Österreichs Klubs vieles richtig.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Die Fußballergewerkschaft zeichnet am Montag im Wiener Rathaus die Spieler der Saison mit dem " Bruno" aus. Die (in Erinnerung an den nur 39 Jahre alt gewordenen Weltklasse-Verteidiger Bruno Pezzey benannte) Trophäe gilt als die sportlich wertvollste unter Spielern und Spielerinnen, weil sie selbst Wahlberechtigte sind. Dennoch hat es Maximilian Wöber, der teuerste je von der heimischen Liga ins Ausland transferierte Österreicher, nicht unter die Top drei in der Wertung "Aufsteiger des Jahres" geschafft (Konrad Laimer, Christoph Monschein, Dimitri Oberlin).

Noch im Herbst war Wöber im Regionalliga-Spiel gegen die Vienna bei der 1:2-Niederlage in Rapids Zweier-Mannschaft keineswegs aufgefallen. Doch schon im Frühjahr bewies er trotz Matura-Stress als Innenverteidiger mit präzisem Passspiel Bundesligareife.

Blitzkarriere

So rapide ändern sich die Zeiten. Marcel Koller holt Wöber vor dem entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Wales ins Team und Europa-League-Finalist Ajax den 19-Jährigen für kolportierte 7,5 Millionen Euro nach Amsterdam. Für eine Summe, mit der sich die gesamte ViennaÖsterreichs ältester Klub begeht soeben als Ostliga-Nachzügler seinen traurigen 123. Geburtstag – sanieren ließe. Und die fast ein Viertel des Rapid-Jahresbudget bedeutet.

Womit eine alte Forderung des ehemaligen Rapid-Meistertrainers Ernst Dokupil aus heutiger Sicht absurd klingt. Herr Ernst hatte allen Ernstes zur Auflösung des Rapid-Nachwuchsbetriebes geraten, weil sich der nicht mehr rechne. Auch argumentierte er, dass es nicht die Aufgabe eines Profiklubs sei, sondern vielmehr jene von Staat und Gemeinde, die Jugend von der Straße wegzubringen. So mancher Experte gab Dokupil recht. Das war in den 1990er-Jahren,

als Rapid (unter Dokupil) sogar noch einmal das Europacup-Endspiel erreichte;

als sich von schlauen Trainern noch der eine oder andere renommierte Legionär nach Österreich locken ließ;

als die Trainingsbedingungen für Jugendliche im internationalen Vergleich vor allem bei Rapid skandalös schlecht waren;

als sich Dietrich Mateschitz überhaupt nicht für Fußball interessierte;

und als eine kickende Wiener Journalistentruppe das österreichische Damen-Nationalteam in aller Freundschaft fast zweistellig deklassierte.

Zwanzig Jahre danach gebührt den Damen der "Bruno" und im Spätherbst bei der Journalistenwahl auch geschlechterübergreifend der erste Platz in der Kategorie "Mannschaft des Jahres". Obwohl dieser Titel vor dem unerwarteten dritten EM-Rang der ÖFB-Frauen schon für die Salzburger Gewinner der Junior-Champions-League reserviert schien. In der Nobel-Akademie von Red Bull glänzen noch etliche Rohdiamanten, die irgendwann – wie zuletzt Laimer – gewinnbringend im Ausland landen werden. Laut Fernsehsender ServusTV, dem allein schon auf Grund seiner Red-Bull-Nähe zu glauben ist, haben die Transfers von Mané, Keita, Hinteregger, Sabitzer und Co. Salzburg mehr als 100 Millionen Euro eingebracht.

Flaschenpost

Auch, wenn hierzulande über die Meisterschaft meist nur gelästert wird – in der Fachwelt hat sich längst herumgesprochen, dass die österreichische Liga eine Fundgrube für Talente ist. Und dass speziell vom Dosen-Konzern keine Flaschen forciert werden.

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