Ein Kaiser ohne Feinde

Ein Kaiser ohne Feinde
Beliebt und populär wie kein Zweiter – ein Volksheld feiert den 60er.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Klammer brauchte nicht erst stürzen oder siegen, um die Schlagzeilen zu pachten

von Wolfgang Winheim

über Ski-Legende Franz Klammer

Ex-Abfahrtsweltmeister David Zwilling pilgerte von Salzburg zu Fuß bis Jerusalem. Hermann Maier marschierte zum Südpol. Franz Klammer spaziert von seiner Hietzinger Wohnung ins Kaffeehaus.

Ausdauer- und Extremsport sind nicht sein Kaffee. Trotzdem trennen ihn nur vier Kilo vom einstigen Kampfgewicht. Er passt sogar noch in seinen Renndress, den er nicht nur 1976 beim Olympiasieg in Innsbruck trug. „Ich bin zwei Jahr’ lang mit demselben Anzug gefahren. Heute kriegen’s für jedes Rennen einen neuen.“

Den Anzug hat er knapp vor seinem runden Geburtstag dem Mürzzuschlager Ski-Museum überlassen.

Übermorgen wird Klammer 60. Den letzten „Runden“ hatte er noch – wie die folgenden Geburtstage – mit Bode Miller in Beaver Creek gefeiert. Alle Frühwinter wieder zog’s ihn nach Colorado, wo auch die Franz-Klammer-Lodge (in Telluride) steht.

Heuer aber feiert er daheim in Österreich. Am 3. 12. im Familienkreis und am 7. 12. in Bad Kleinkirchheim. Dort wird die ganze Kärntner Prominenz antanzen. Dort ist er Testimonial. Dort wird 2015 auf der Franz-Klammer-Strecke um Damen-Weltcup-Punkte gefahren werden. Dort hat er am kommenden Samstag nichts einzuwenden gegen ein Riesen-Tamtam zum Sechziger, wie es der zwei Monate jüngere Ski-Kollege Hansi Hinterseer ablehnt.

Franz über Hansi: „Er hat mir gesagt, dass er seinen 60er net feiern will.“ Der populärste Kitzbüheler wird am 2. Februar einen Riesen­bogen um Kitzbühel machen.

Im Feiern waren die Abfahrer angefangen vom (inzwischen 160 Kilo schweren) Werner Grissmann schon vor zig Jahren den Slalom-Künstlern à la Hinterseer und Klaus Heidegger um zig Krügerln überlegen gewesen. Klammer weiß rückblickend die Zurückhaltung der alten Reporter-Generation zu schätzen: „Hätte es damals schon Social Media und diesen Boulevard-Journalismus gegeben, wären uns etliche Disziplinarverfahren net erspart geblieben.“

Verwandlung

Klammer wusste freilich immer, wann Schluss war mit lustig. Wann er sich wieder zum Asketen wandeln musste. Andernfalls hätte er nicht jahrelang die verwegensten Ritte über (im Vergleich zu heute wesentlich gefährlichere) Abfahrtspisten unversehrt überstanden. Die einzige schwere Knieverletzung zog sich der Kärntner 1980 just auf der vermeintlich leichtesten Abfahrt zu: im kanadischen Lake Louise. Dort, wo am Samstag die Speed-Saison mit einem Sieg des Südtirolers Dominik Paris begann.

Klammer brauchte nicht erst stürzen oder siegen, um die Schlagzeilen zu pachten. Harti Weirather, Josef Walcher, Peter Wirnsberger oder Uli Spieß mussten damit leben, dass selbst über ihre Siege weniger berichtet wurde als über einen fünften Platz Klammers.

„Kaiser Franz“ wurde er gerufen. Zur gleichen Zeit, zu der die Bayern ihren Franz Beckenbauer mit dem gleichen inoffiziellen Titel adelten. Beide galten und gelten als Männer ohne Feinde. Beide genossen eine uneingeschränkte Beliebtheit, wie sie nicht einmal Hermann Maier geschweige denn Lothar Matthäus zuteil wurde. So meinte der 150-fache deutsche Nationalspieler: „Bei mir wird eine Frau schon für schwanger erklärt, bevor sie Sex mit mir hatte. Doch der Franz hat seine vielen Kinder vom lieben Gott. Beckenbauer hat den Heiligenschein.“ Doch halt: Diesbezüglich hinkt der Vergleich zwischen Ski- und Fußball-Kaiser.

Klammer ist seit 34 Jahren mit Eva verheiratet, die er 1979 („Auf Anraten von Niki Lauda in Wiener Neustadt, weil’s dort am wenigsten auffällt“) still und leise vor den Traualtar führte.

Seine studierenden Töchter Sophie und Stefanie sind aus dem Wiener Dreimäderlhaus inzwischen ausgeflogen. Zu gemeinsamen Ski-Ausflügen kommt’s auch nicht mehr, seit Mama Eva, schockiert darüber, ihre Töchter bei einem missglückten Bremsmanöver einmal gerammt zu haben, die Skier für immer in den Keller gestellt hat. Dafür fährt der Olympiasieger inzwischen einen 1,82er-Damen-Riesenslalom-Ski.

Trainer wollte er nie werden. Umso lieber sitzt Klammer im Aufsichtsrat der Firma Head. Womit er gleichsam Ausrüster von Lindsey Vonn, Anna Fenninger, Maria Höfl-Riesch, Aksel Lund Svindal, Ted Ligety und Miller ist. Ihnen allen wünscht er mehr spektakuläre Rennen auf selektiveren Pisten. „Auf einer schwierigen Strecke passiert weniger. Weil die Konzentration höher ist.“

Klammer appelliert an die Weltcup-Macher, den Läufern mehr Eigenverantwortung zu übertragen. Der Herr von Head will sehen, dass wieder mehr mit Köpfchen gefahren wird.

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