Hartes Pflaster

Die Mariahilfer Straße ist die Dramaqueen der Fußgängerzonen. Keine Woche ohne Horrormeldung.

von Mag. Leila Al-Serori

über die Mariahilfer Straße

Der Pflasterstein fühlt sich gut an. Frisch, hart, unverwüstlich. Ausgezeichneter Halt unter den Füßen. Auch die Luft scheint klarer, schließlich Auto- und Feinstofffrei. Die Mariahilfer Straße ist die neueste Errungenschaft der Wiener Fußgänger. Und sie ist die Bekannteste ihrer Art: Wer an Fußgängerzonen denkt, denkt unweigerlich an sie.

Das liegt auch am widerspenstigen Gemüt. Die Mariahilfer Straße, sie ist die Dramaqueen unter den Fußgängerzonen. Es wird geraunzt, gehupt, mit Streik gedroht. Keine Woche vergeht ohne Horrormeldung. Nun erregt eine kleine Erhöhung beim Übergang zur Begegnungszone die Gemüter. Lebensgefährlich, nicken die Kritiker einhellig.

Im Gegensatz dazu die Meidlinger Hauptstraße: Auch sie wurde kürzlich umgebaut, das Hyperventilieren überließ sie der prätentiösen Schwester. Hier ist es ruhig und bodenständig, dazu tönt das Akkordeon.

Die Grande Dame im ersten Bezirk zeigt sich von der neuen Konkurrenz unbeeindruckt. Seit 1974 ist die Kärntner Straße den Flaneuren vorbehalten. Also seit einer Zeit, in der der natürliche Lebensraum des Spaziergängers oft Parkplätzen weichen musste.

Das Flanieren ist ja irgendwann aus der Mode gekommen. Anders als in Italien, wo die "passeggiata" gefeierte Freizeitbeschäftigung ist, hat der Wiener den Gehstock gegen das Lenkrad getauscht. Doch der Fußgänger, er ist wieder im Kommen. Das sage nicht nur ich als Spaziergängerin von Berufs wegen, das zeigt sich auch am Plan Vassilakous, dass die Wiener bald mehr zu Fuß gehen sollen. Damit alles im Fluss bleibt, kann die Exekutive übrigens für "unbegründetes Stehenbleiben auf Gehsteigen" strafen. Also immer schön in Bewegung bleiben, liebe Leser.

Sogar die Weltfußgängerkonferenz findet nächstes Jahr bei uns statt. Hunderte Experten aus 40 Ländern reisen dafür an. Und die Mariahilfer Straße? Die hat dann wieder Grund zur Aufregung. Schließlich ist sie für ein paar Tage nicht nur hartes Pflaster, sondern der Fußgänger-Nabel der Welt.

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