Hello USA, Goodbye Hausverstand!

Christina Pertl

Christina Pertl

Die USA sind das Land der Hinweise und Verbote.

von Christina Pertl

über Ver- und Gebotswahnsinn in USA

Nach links, bitte halten Sie sich links!", rufen zwei Damen in den blau-rot-weißen Volunteer-Uniformen im Duett. "Bitte gehen Sie entlang des Zauns!" Ein Fingerzeig in Richtung der roten Absperrung mit dem Zusatzhinweis: "Hier müssen nämlich die Skifahrer durch."

Blick nach links, Blick nach rechts – kein Skifahrer in Sicht.

Fragender Blick zur freundlichen Helferin, die mittlerweile fünf weitere Passanten mit dem wertlosen Warnhinweis versorgt und ihnen danach einen "wundervollen Abend" gewünscht hat.

Ach, egal.

Der Reflex, alles verstehen zu wollen, wurde bereits in der elendig langen Warteschlange bei der Einreise abgelegt. Neues Motto: Just do it.

Denn wer anfängt, alle Gebote, Verbote, Warnungen in den USA zu hinterfragen, muss unweigerlich an der Überlebensfähigkeit der freisten aller Gesellschaften zweifeln.

Hello USA, Goodbye Hausverstand!
Alpine Ski-WM 2015, Kolumne, Foen c Stefan Sigwarth

"Nicht während des Badens benutzen!", steht auf dem Föhn in unserem Appartement geschrieben. Gut, dann nicht. Ich wäre zwar bisher noch nie auf die Idee gekommen, bereits während des Haarewaschens mit dem Föhnen zu beginnen. Aber offenbar ist die amerikanische Frau von heute recht effizient, was ihr Zeitmanagement im Badezimmer angeht. Dieser Hinweis reiht sich nahtlos in die Riege der sinnlosen Warnungen à la "Für das beste Ergebnis Verschlusskappe entfernen" (auf einer Dose Sprühkäse – ja, es sieht grauslig aus), "Dies ist kein Eiscreme-Topping" (Haarfärbemittel), oder dem bereits legendären Vermerk auf Kaffeebechern zum Mitnehmen: "Warnung! Heiße Getränke sind heiß." Ja, danke. Das will ich auch hoffen.

Auch manch ein Gesetz in Colorado löst mitunter Verwunderung aus. So sollte man sich zwischen 9 Uhr abends und 4 Uhr morgens möglichst nicht verfahren. Denn wer dieselbe Verkehrsstreife drei Mal passiert, könnte festgenommen werden. Gut für mich (eine von denen, die sich dank fehlenden Orientierungssinns schon auf dem Weg von der Küche ins Bad verlaufen könnten), dass der nette Kollege immer weiß, wo es langgeht. Ich säße längst hinter coloradoschen Gardinen.

Mit seiner Freiheit spielt übrigens auch, wer in Denver seinem Nachbarn einen Staubsauger borgt oder am Sonntag ein schwarzes Auto fährt; wer in Sterling seine Katze ohne Rücklicht herumlaufen lässt; wer betrunken ein Pferd reitet; oder wer in Boulder sein Lama auf städtischem Besitz grasen lässt.

Dort darf man einen Polizisten übrigens auch nur so lange ärgern, bis der sagt, dass es genug ist.

Das klingt fair. Oder verrückt. Nach zwei Wochen in den USA fällt es schwer, das auseinanderzuhalten.

christina.pertl@kurier.at

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