Endlich ist das Bewusstsein für missbrauchte Macht da

Paul Scharner
Unser Kolumnist schrieb bereits vor Jahren über Unsitten im österreichischen Sport. Auch andere Profis wie ORF-Experte Hackmair machten dasselbe durch.
Paul Scharner

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Als ich vor drei Jahren in meinem Buch beschrieben habe, wie ich als Austria-Jungprofi gepastert wurde, gab es kaum Reaktionen.

von Paul Scharner

über den Missbrauchsskandal

Die weltweite Bewegung gegen ein System der Unterdrückung, zusammengefasst unter #metoo, hat auch Österreich erfasst. Endlich, füge ich in Erinnerung an meine persönlichen Erlebnisse an. Als ich vor drei Jahren in meinem Buch "Position Querdenker" beschrieben habe, wie ich als Austria-Jungprofi gepastert wurde, gab es kaum Reaktionen.

Außer, dass ich als Ungustl und Nestbeschmutzer dargestellt wurde. Offensichtlich ist erst 2017 das Bewusstsein vorhanden, um sich vom "Das gehört halt dazu"-Stempel zu lösen.

Nach dem, was in den letzten Wochen losgetreten von Nicole Werdenigg bekannt wurde, zeigt sich eine Linie: Viele haben es gewusst, aber keiner hat etwas gesagt.

Außerdem zeigt sich eine Überforderung, die verschiedenen Grenzüberschreitungen in ihrer Bedeutung einzuordnen. Es zeigt sich auch beim ÖSV: Der Fisch beginnt beim Kopf zu stinken.

Bei diesen unmenschlichen Initiationsriten wie auch bei sexuellen Übergriffen gibt es ein Über-Thema: Hierarchie. Überall dort, wo Menschen zusammenkommen, entstehen Machtverhältnisse.

Bei mir selbst war es so, dass ich bei meinem ersten Trainingslager mit den Austria-Profis ein unauffälliger Mitläufer war. Beim zweiten Trainingslager bin ich den Arrivierten schon auf die Zehen gestiegen – aber nur sportlich, in der täglichen Auseinandersetzung auf dem Trainingsplatz. Die Antwort war, dass ich gepastert wurde.

Als ich einem der Kollegen angeboten habe, in meinem Buch das Vorgehen zu erklären, schrieb der: " Paul war zu aufmüpfig." Die Logik dahinter: Zuerst lasse ich mich foltern, dann sollen wir gemeinsam ein Bier trinken, um die wieder zurechtgerückten Positionen zu besiegeln – und dann sind wir alle miteinander wieder gut Freund.

Da stellt sich mir schon die Frage, ob wir im 21. Jahrhundert tatsächlich die intelligenten Wesen sind, von denen alle reden.

Im Fußball gibt es immer noch Eltern, die Trainer zahlen, damit ihre Kinder aufgestellt werden. Von der bösartigeren Form der Karriere-Steuerung gegenüber Mädchen wurde zuletzt berichtet: Du gibst mir deinen Körper, dann bekommst du die besten Ski oder wirst in den Rennkader aufgenommen.

Meiner Meinung nach muss es in allen Institutionen eine Ansprechstelle geben. Wenn jemand etwas hört, muss er/sie wissen, wen man kontaktieren kann. Und dann müssen Täter wie Trainer zur Rechenschaft gezogen werden. Die Ausrede "Wir haben ja nix gewusst" darf nicht mehr reichen.

Das Buch "Position Querdenker" von Paul Scharner (Verlag Delius Klasing) ist weiterhin erhältlich.

P.S. Auch Anderen sei es ähnlich oder sogar noch schlimmer ergangen, schilderte mit Peter Hackmair ein weiterer Ex-Profi in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin profil seine Erfahrungen mit dem Pastern. "Ein junger Spieler, der gerade einen Profi-Vertrag unterschrieben hatte, wurde geschnappt, auf der Massagebank festgebunden und mit Badeschlapfen oder Ähnlichem geschlagen - oft, bis er geblutet hat", sagte Hackmair. "Dann wurde der Anus mit einer scharfen Traumasalbe eingerieben."

Hackmair hatte seine Karriere 2012 mit nur 25 Jahren beendet. Der frühere ÖFB-Nachwuchsteamspieler ist mittlerweile als ORF-Experte tätig. Sein damaliger Mentaltrainer habe den ÖFB einst von den brutalen Übergriffen informiert. Danach sei das "Pastern" von den Profiklubs unterbunden worden. Manche Jungprofis hätten mit den Auswirkungen aber lange zu kämpfen gehabt. "Ich habe tatsächlich Spieler gesehen, die durch das Pastern regelrecht gebrochen wurden", erklärte Hackmair.

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