Ökonomen-Streit: Aiginger kontert Felderer

Daniela Kittner
Politik von innen: Immer mehr Ökonomen, die den Sinn-Brief unterschrieben haben, schließen sich nun auch dem Gegen-Aufruf an.

In Deutschland tobt seit Tagen einen Ökonomen-Streit über die Euro-Krisenmaßnahmen. Nach den Gipfelbeschlüssen vom 28. Juni hatte eine Gruppe von mehr als hundert Ökonomen Kanzlerin Angela Merkel in einem offenen Brief kritisiert. Stein des Anstoßes: Der Rettungsschirm ESM soll – nach Errichten einer europäischen Bankenaufsicht – Direkthilfen an Banken zahlen können, ohne den Staatshaushalt des betreffenden Landes zu belasten.

Ein Angriff auf die deutschen Steuerzahler, meinten die Ökonomen um ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Unter den Unterzeichnern des Sinn-Briefs hatte sich ursprünglich auch der Chef des heimischen Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, befunden. "Das war ein Missverständnis", sagt Felderer, er ist mittlerweile von der Liste getilgt. Inhaltlich teilt Felderer jedoch manche Bedenken der Merkel-Kritiker (der KURIER berichtete).

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Karl Aiginger, übt hingegen massive Kritik an der Sinn-Gruppe und an Felderer: "In dem Brief ist vieles falsch und schwach. Da werden etwa ganze Länder pauschal als solide oder wenig solide beschrieben." Ähnliche Kritik üben deutsche Ökonomen an der Sinn-Gruppe, sie werfen ihr "Nationalismus" vor.

Aiginger verficht auch die Bankenunion: "Eine europaweite Bankenaufsicht ist sehr notwendig. Man muss Banken restrukturieren und notfalls auch in Konkurs schicken können."

Außerdem sei es falsch zu behaupten, die Staaten sollen für die Banken aufkommen. Die Staaten sollten nur dafür sorgen, "dass die Kunden der Banken zu ihrem Recht kommen. Das ist ein großer Unterschied". Für die Banken selbst sollten im Wege eines Restrukturierungsfonds deren Eigentümer zur Verantwortung gezogen werden. Aiginger: "Der EU-Gipfel bewegt sich in die richtige Richtung, wenn auch zu langsam."

Im Gegensatz zu Felderer befürwortet Aiginger auch den zweiten Gipfelbeschluss, wonach der ESM künftig Staatsanleihen kaufen soll, um Zinsdruck von einzelnen Ländern zu nehmen, entschieden: "Europa zahlt mehr Zinsen für seine Schulden als Amerika, obwohl es weniger Schulden hat. Das kann es nicht sein."

Es sei richtig, hier einen Mechanismus zu schaffen. "Einer muss agieren", sagt Aiginger. Bisher habe das die EZB gemacht, aber es sei unsicher, ob deren Regeln dafür ausreichen.

Generell wirft Aiginger der Sinn-Gruppe vor, "nichts Positives" beizutragen, sondern die langsamen Schritte, die die Euro-Länder in die richtige Richtung setzen, auch noch schlechtzureden.

Am Dienstag berichtete Spiegel online, dass immer mehr Ökonomen, die den Sinn-Brief unterschrieben haben, sich nun auch dem Gegen-Aufruf anschließen. Der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kritisiert die Experten: Sie hätten sich in der Eurokrise für die Politik als "nicht hilfreich" erwiesen.

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