Win-Spinn-Situationen
Ich halte Tee für einen groben Irrtum der trinkenden Menschheit.
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Logbuch-Eintrag an einem mittelkühlen, mittelgrauen Jännertag im Jahr 2014: „Morgens bestens ausgeschlafen aufgewacht, mit dem Hund spazieren gegangen, den Mann nebenan erneut im Bett liegend vorgefunden, obwohl er zuvor am Frühstückstisch bereits körperlich anwesend war. Sehr komisch, denn eigentlich hatte er Kombüsendienst.“ Wäre unsere Beziehung eine lange Schiffsreise und ich der Kapitän, würde ich den Leichtmatrosen an meiner Seite auf der Kommandobrücke jetzt zum Rapport bitten. Aber so liegt er da, tut sich leid und faselt im Madame-de-Bovary-Stil etwas von „Kopfschmerzen“, und dass ihm gerade sehr kühl sei.
Nur für Flaschen – und FrauenAha. Deshalb liegt man ohne Socken im Bett und starrt ins Smartphone. Als Frau mit einer Vierfach-Helix an Krankenschwester-Genen frage ich da rasch: „Schatz, wie wär’s mit einer Wärmeflasche und Ruhegeben?“ Wohl wissend, dass beides aus seiner Sicht nur etwas für Lulus wie mich ist. Stattdessen hätte ich auch fragen können: „Wie wär’s mit einer hübschen Federboa um den Hals?“ Oder: „Wie wär’s mit einem warmen Haferbrei mit Zimt und Zucker?“ Ähnlich verhält es sich mit meiner Tee-Idee. Ich halte viel vom richtigen Tee zum richtigen Moment. Ingwertee ist aus meiner Sicht das Gebot der Stunde, wenn eine Grippe droht. Aber wenn ich ihm das Gebräu reiche, höre ich in der Sekunde: Wah, jetzt speib ich mich auch noch an! Dann zuzelt er 12 Stunden an einem Häferl, um zu behaupten, er würde „den Tee eh trinken“. Das hat auch in diesem Krankheits-Fall zu einer kleinen Ehekrise geführt, ich nenne das „unsere Win-Spinn-Situationen“. Diesmal mit gutem Ausgang. Logbuch-Eintrag am Abend eines mittelkühlen, mittelgrauen Jännertags im Jahr 2014: „Die Frisur hält, die Ehe auch. Er liegt mit Thermophor im Bett. Und frischer Ingwertee steht bereits am Herd.“
Er
Ich halte Tee für einen groben Irrtum der trinkenden Menschheit. Ich habe nie verstanden, was das Wohltuende sein soll an heißem Wasser, das man in Mini-Schlückchen lautstark schlürfend zu sich nimmt, vor lauter Angst, sich Lippen und Zunge zu verbrennen. Tee hat mir nie geschmeckt, dennoch wurde er mir ein Leben lang als Wundermittel gegen alles (Halsweh, Ohrenweh, Wimmerl, Kreuzbandriss) empfohlen. Ungeachtet der Tatsache, dass meine Erkältung, als ich ohne Frau und Tee wohnte, bezüglich Dauer und Intensität einen identischen Verlauf nahm wie vorher und nachher mit Tee. Egal. Der Satz „Jetzt trink’ einmal einen Tee, der wird dir gut tun“ gehört zu unserer Gesellschaft wie der Fieberbefund zur Pose „Um Gottes Willen, das Ende ist nahe!“ Das ist sicher der Grund, warum ich nur alle paar Jahre krank werde. Damit mich nicht jemand (den Sie kennen) im 5-Minuten-Takt fragt, ob ich eh schon wieder ein Schluckerl Tee getrunken habe.
Winterzauber Das ist vor allem deshalb so, weil eben diese Frau meine teemäßige Antagonistin ist. Die trinkt das heiße Wasser ständig, und das auch noch gerne. Bei uns gibt es daher schwarzen Tee und grünen Tee, genauso wie Magentee und Nierentee, Rooibostee und Ingwertee, Winterzaubertee und Früchtezaubertee. Nicht zu vergessen die kreativen Zauberprodukte, die sich speziell auf das Wohlbefinden der Industrie auswirken, wie etwa der Schlaf-gut-Tee, der Gute-Laune-Tee oder der Ich-werde-knackige-120-Jahre-alt-Tee. Umso erstaunlicher, dass meine Frau dennoch nicht dauerfröhlich durch den Alltag hüpft, sondern sogar regelmäßig grantig ist. Etwa dann, wenn ich mich ausnahmsweise matt und unterkühlt fühle. Was bedeutet, dass sie mit dem Hund raus muss, ehe sie mit einer ungewöhnlichen Frage die Ehekrise einleitet: „ Und wer kriegt jetzt den Thermophor?“
Twitter: @MHufnagl
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