Was geschah im Wald?

Romantisch. Oder?
Sie geht nur spazieren, und er weiß, das könnte fatale Folgen haben.
Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Wenn ich vom Denken zurückkomme, kann’s nämlich sein, dass ich ihn konfrontiere.

von Michael Hufnagl

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Immer, wenn ich länger mit dem Hund unterwegs bin, wird der Mann nebenan unrund. Nicht, weil er fürchtet, ich würde mit dem Förster durchbrennen, sondern, weil er mich kennt. Er weiß, dass ich beim Wandern viel denke. Und wenn ich denke, werde ich – aus seiner Sicht – mühsam. Ich denke über das Leben nach und dann wird es – zugegeben – sehr kompliziert. Schön blöd. Mein Mann hat’s nämlich nicht gerne kompliziert. Nein: Er hat’s nicht gerne weiblich kompliziert. Wenn ich vom Denken zurückkomme, kann’s nämlich sein, dass ich ihn konfrontiere. Mit neu erdachten Theorien, etwa: „Ich spüre, dein Ich liebe dich klingt nicht mehr so wie das Ich liebe dich von vor 12 Jahren. Komisch, dass du letztens so lange mit der XY geredet hast. Und weshalb schreibst du woanders über Seitensprünge und erzählst mir nix davon?“

Freigeist

Dazu will ich in der Sekunde Erklärungen. Er hasst es allerdings, sich erklären zu müssen. Er wäre gerne Freigeist – losgelöst, aber nicht allein. Idealerweise sollte ich mit ihm nur diskutieren, welches Stadion das geilste ist. Alles, nur bitte net so mühsam. Aber der Wald! Im Wald verliert sich mein Hirn in Assoziationsketten: Ich wandere geistig vom Fischlokal, in dem wir saßen, zu Diplozoon Paradoxum, von dem ich ein Bild in einem Magazin gesehen habe. Dieser Fischparasit gilt als einziges Lebewesen der Welt, das monogam ist. Von dort ist es nicht mehr weit zum Seitensprung-Oeuvre. Das lässt mich an sein neues Handy denken – kein iPhone, sondern ein Android. Und während der Bärlauch duftet, ahne ich: Das hat er nur gekauft, um mich – die es nicht zu bedienen weiß – auszutricksen. In so einer eigenartigen Stimmung kehre ich heim und will reden. Über Fischparasiten und unser Leben. Was tut er? Er legt mir VHS-Kurse ans Herz: „Loslassen, entspannen, genießen“ sowie: „Was kann mein Handy?“

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Es ist tatsächlich so. Meine Frau schafft es in kurzer Zeit, und ohne dass ein Wort fällt, ihr Gemüt einer einzigartigen Metamorphose zu unterziehen. Sie verlässt die Wohnung mit einem Lächeln, einem Summen und einer Bemerkung wie „Wir brauchen neue Mistsäcke“. Und kehrt wenig später heim mit einem Gesicht, in dem geschrieben steht: „Verdammt! Nein! Ach! Wieso?“

Dabei war sie nur eine knappe Stunde im Wald. Aber das genügt, damit ich mich frage: Was ist dort passiert? Hat ihr der Wind ein Zeichen gegeben? Hat ein großer Baum dazu genickt? Und hat ein dämonisches Eichkätzchen geflüstert: „Spürst du es nicht, die wahren Mistsäcke sind in uns?!“

Regisseurin

Was auch immer, eines weiß ich: Jetzt ist Blues angesagt. Und zwar der ohne Tanzen. Dabei ist es ja keineswegs so, dass ich nicht auch gelegentlichen Stimmungsschwankungen unterliege. Nur: Ich muss nicht immer darüber reden. Dem Grundsatz folgend: Unser Leben pendelt nun einmal zwischen „A schöner Tag“ und „A schöner Schas“. Und diese Erkenntnis benötigt keine zwanghaften Analysen.

Ihr egal. Sie will als Regisseurin des Alltags eine Portion Drama, und ich bekomme für diese Inszenierung verlässlich die Hauptrolle. Gekonnt spannt sie dabei einen Frage-Bogen von „Was wollen wir vom Leben?“ über „Warum schreiben dir auf Twitter und Facebook mehrheitlich Frauen?“ bis „Wann werden wir endlich den Keller entrümpeln?“

Das erfordert ernsthafte Erklärungen. Keine Antworten von „Dass Barça das Rückspiel gegen Bayern 5:0 gewinnt“ über „Weil ich ein pfiffiges Kerlchen bin“ bis „Spätestens, wenn du mich aufforderst, in Zukunft dort zu schlafen.“

Das Gute daran: Die Rückverwandlung zur Frohnatur geht auch recht flott. Mitunter reicht dafür schon, den Kauf von Mistsäcken nicht vergessen zu haben.

Twitter: @MHufnagl

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