Von wegen Freiräume
Und da ist Erholung das Thema, verdammt noch einmal.
Sie
Im Urlaub, sagen Erholungsforscher, sei Selbstbestimmung wichtig. Ihr Rat für Nicht-Singles: Gestehen Sie einander Freiräume zu. Dazu gehört ein „Tag-nur-für-mich“ – idealerweise wird der vor Antritt der Ferien geplant. Also saßen wir dieser Tage bei Baldriantee zusammen und versuchten gemeinsam Freiräume auszuhecken. Der Mann nebenan moderierte die Diskussion an und gab ein generöses Du zuerst! von sich. Ich sprach: „Dass du’s weißt: Ich will sicher nicht den ganzen Tag herumkugeln und dann essen müssen. Da werde ich immer fetter. Ich brauch’ Bewegung.“ Das uferte in der Sekunde zur Grundsatzdiskussion über meine blöde Bladheits-Neurose aus, und dass ich nicht einmal im Urlaub entspannt sein könne: Du bist total getrieben. Musst du dauernd was tun? Hast du einen Schimmer, wie heiß es an der Algarve ist?
Eskalationsstufe 1
Das zum Thema Freiheit. Umgekehrt verordnete er sich zwei, besser: drei, vier Golfplatz-Tage. Ein Affront, wie ich meinte – weil dieser Wunsch diametral zu seiner „Musst-du-dauernd-was-tun?“ und „Blöd, wer da sportelt!“-Aussage stand und ich den Verdacht hegte, er entwickle gerade maßgeschneiderte Urlaubsregeln For Hufnagl. Die Situation eskalierte, ich war drauf und dran, den Algarve-Trip gegen drei Wochen Sibirien zu tauschen. Just da platzte das Kind in die Diskussion und sagte: „Pfuh, das wird heuer fad, nur wir drei! Gibt’s da eh WLAN?“ Als ich an den Preis des pauschalen Vergnügens dachte, erreichte meine präsumtive Urlaubsstimmung ihren absoluten Nullpunkt. Pfeif auf die Selbstbestimmung, sagte ich mir still und laut sprach ich: „So. Das Golfbag bleibt daheim, das Smartphone auch. Und wenn wer Freiräume braucht, dann ich.“ Daraufhin tranken alle eine Tasse Tee und taten so, als wären sie eine glückliche Familie, die sich sehr auf den gemeinsamen Urlaub freut. Fortsetzung folgt.
Er
Es gibt Statistiken, die belegen sollen, dass die meisten Scheidungen nach Urlauben eingereicht werden. Die Ursache dafür liegt absurderweise an der (zu) vielen Zeit zu zweit. Heißt: Menschen, die im Arbeitsalltag mindestens den halben Tag lang getrennt reden, schweigen, denken, und tun, müssen nun auf sehr engem Raum ein Miteinander pflegen. Und das soll dann auch noch besonders harmonisch stattfinden, weil: Es ist ja unser Urlaub. Und da ist Erholung das Thema, verdammt noch einmal. Deshalb hat meine Frau gerne Ideen, wie das rechtzeitige Definieren von Freiräumen. Ich hingegen hätte einen viel besseren Tipp: zwei Wochen lang keine Fragen.
Sie sagt
Hast du die Pässe mit? Hast du die Flugtickets mit? Habe ich mein Aufladekabel mit? Hast du auch sicher die Pässe mit? Hast du ein Taxi bestellt? Welche Fluglinie? Welches Gate? Wann ist Boarding? Soll ich noch aufs Klo gehen? Haben wir eh kein Licht brennen lassen? Wann kommen wir an? Wieso dauert das mit dem Gepäck so lange? Ist es nicht besser, zuerst einmal die Koffer auszuräumen? Wo ist mein Aufladekabel? Wieso hast du den Gelsenstecker nicht eingepackt? Ich gehe spazieren, gehst du mit? Ich gehe ins Meer, gehst du mit? Ich gehe eine Kleinigkeit essen, gehst du mit? Bist du eingeschmiert? Soll ich eine Massage buchen? Willst du lesen oder darf ich dich etwas fragen? Ist dir auch schon kalt? Funktioniert bei deinem Handy das Internet? Wieso? Wieso bei mir nicht? Kannst du bitte zur Rezeption gehen? Wo bleibt der Kellner? Das Gemüse ist herrlich, warum isst du das nicht? Soll ich noch eine Nachspeise essen? Und du? Wer hat die Balkontür offen gelassen? Hast du die nassen Sachen aufgehängt? Wer geht zuerst duschen? Wann holt uns das Taxi? Hast du die Pässe mit? Hast du die Flugtickets mit? Hast du auch sicher die Pässe mit? Antworten folgen.
Twitter: @MHufnagl
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