Was hängt denn da ...

Was hängt denn da ...
... wieder? Die Jacke auf der Lehne und der Wettlauf zwischen Ästhetik & Pragmatismus
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Weil später manchmal zu spät sein kann.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Und woran merken Sie so, dass Herbst ist? Wohl an den bunten Blättern oder an 50 Shades of Kürbiscremesuppe. Nur bei uns ist alles anders. Herbst ist, wenn die Winterjacke endlich wieder dort hängt, wo sie aus Sicht des Mannes nebenan hingehört: nämlich zum Esstisch. Es ist natürlich nicht so, dass der Weg vom Mittelflügel unserer Behausung (da ist die Eingangstür) Kilometer vom Nordostflügel (wo der Jackenverstauungsgegenstand namens Kasten steht) entfernt wäre, sodass der Mann nebenan vom Weg tief erschöpft sein müsste. Theoretisch wären es nur ein paar wenige Schritte.

Überraschung

Doch praktisch scheint es für ihn praktischer, die Jacke auf einen unserer Esstischsessel zu hängen. Wer da etwas zu kritisieren gedenkt (ich, zum Beispiel) muss sich auf einen brillanten Argumentationserstschlag gefasst machen: Ich brauch’s ja dann wieder! Jössas. Na klar, sorry. Abgesehen davon sollte ich dankbar sein. Dankbar, dass jeder Tag eine Überraschung für mich bringt: Woho wird das Jackerl denn heute hängen? Auf dem Sessel, wo ich immer sitze? Auf dem, wo er sitzt? Oder, wuhu, superspannend: Auf dem, wo keiner von uns sitzt? Sie sehen: Dieser Mann ist immer für dieses berühmte Prickeln gut, das es braucht, um eine Beziehung lebendig zu halten. Schön auch, dass er dieses Spiel mit anderen Accessoires spielt: So darf ich mich freuen, dass seine Socken auf meinem Nachtkastl liegen, seine Haube neben dem Salz (in der Küche) herumkugelt und die Handschuhe seltsamerweise im WC-Waschbecken gelandet sind. Post an mich: dringend einen Kurs in Nicht-Wundern buchen!!!

Nächste Lesungen: 24. 10., 9. 11. und 28. 11. Rabenhoftheater, 18. 11., Stadtgalerie Mödling, 25. 11. Arkadensaal Langenlois

gabriele.kuhnfacebook.com/GabrieleKuhn60

Er

Ich will an dieser Stelle – zur eigenen emotionalen Schonung – nicht in allen Details unsere eheliche Diskussion von einst aufwärmen. Als ich für unser Domizil einen Kleiderständer erbat und mir sagen lassen musste: „Schirch.“ Und: „Kein Platz.“ Und: „Unnötig, brauch’ma net.“ Ich verzichte darauf, diesen vermutlich bis in die Nachbarbezirke gut hörbaren Diskurs mit gnä Kuhn näher zu erläutern, weil nämlich: Wir müssen uns echt nicht lächerlicher machen, als wir sind. Fakt ist, dass ich Jacken und Mäntel im Kasten verschwinden lassen soll, was meine eh schon routinemäßig verschreckten Widerstandsgeister speziell dann belebt, wenn es draußen schüttet. Das jedoch kann in so einem Herbst durchaus vorkommen, da wir den Umzug in die hyperaride Polarwüste der antarktischen McMurdo-Trockentäler noch immer nicht vollzogen haben.

Installation

Also landet die Jacke gelegentlich auf einer Sessellehne, weil auch auf dem imposanten Badezimmerheizstabmonument kein Platz mehr ist (die dort von den zwei Frauen der Familie drapierten neun bis elf offensichtlich unverzichtbaren Handtücher kommentiere ich schon seit Jahren nicht mehr). Das Gesicht der Liebsten beim Anblick der Kleiderständer-Installation ist schwer zu beschreiben – irgendwo zwischen Ich muss ein Tellerservice gegen die Wand schmeißen und Ich muss ein Knollenblätterpilzragout verdauen. Die Mimik ist jedenfalls der verlässliche Auftakt zu den zwei berühmten Sätzen „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ...?“ und „Wie oft soll ich dir noch antworten, dass ...?“ Wir drehen uns im Kreis. Seit Jahren. Es ist das Lebensgefühl des Trock ’n’ Roll.

Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 23. 10. Rothneusiedl, 4. 11. Kottingbrunn, 8. 11. Mödling, 17. 11. St. Pölten.

michael.hufnagl@kurier.at

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