Viel Spaß in der Schnupfburg

Viel Spaß in der Schnupfburg
Der Verkühlungswettbewerb und die Frage, wer sich mehr leidtut.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Ich rangiere auf der Jammerskala weit hinter ihm.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Ein Schnupfen-Befindlichkeitsvergleich ist an dieser Stelle durchaus angebracht, zumal es uns dieser Tage beide gleichzeitig erwischt hatte. Frei von jeder Eitelkeit, aber auch ein wenig stolz darf ich vermelden: Ich rangiere auf der Jammer-Skala weit abgeschlagen hinter ihm. Dazu vielleicht mein – von Hand notiertes – Tagesprotokoll seiner Sudereien: Morgens, 6.30: Der Wecker läutet, der Mann nebenan verweigert die Tagwache, beinahe schluchzend. Die ganze Nacht habe er geschwitzt, gerotzt, keine Luft bekommen, von Nasentropfen und Halsspülungen geträumt und dass der schwarze Mann ihn holen käme. Wer steht auf? Richtig!

Wer kriegt weniger Luft?

8.30: Etwas schlurft. Wüsste ich nicht, dass es der Hufnagl wäre – ich hätte an einen Opa am Stock gedacht, der sich in unsere Wohnung verirrt hat. Aber nein: Mister „Sonst-eh-immer-cool“ schleppt sich als sein eigener Schatten ins Wohnzimmer, um dort wortlos am Wasserkocher zu hantieren. Dazu raunzt er ein Ich hasse Bronchialtee, der schmeckt wie Käsefuß und wirft mit dramatischer Geste gebrauchte Papiertaschentücher weg. Abgang, schlurfend. Ich hingegen fahre ins Büro. 12.15: Das Handy läutet – etwas hustet mir ins Ohr. Das „Es“ krächzt: Mir geht’s so schlecht. Ich schlage eine Inhalation mit Salz vor. Er nennt mich Sadistin. Ich sage, dass ich auch keine Luft durch die Nase bekomme. Er meint, dass er noch weniger Luft durch die Nase bekäme als ich. Ich frage, ob das jetzt ein „Wer-bekommt-weniger-Luft-durch-die-Nase-Bewerb“ wird. Er stöhnt, dass er für solche Scherze keine Kraft hätte und wieder ins Bett gehe. 16.12: Eine SMS poppt auf: Jetzt habe ich auch Kopfweh. Daher wünscht sich dein leidender Mann heute Abend eine Hühnersuppe. Ich – längst ebenfalls mit Kopfweh zugange – antworte: „Mit Buchstaben oder Tierfiguren drin?“ Seither plädiert er für getrennte Schnupfen.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Das Problem ist, dass so ein richtiger, also ein voll entwickelter Männerschnupfen tatsächlich eine Tortur ist, die sich eine vor sich hin hüstelnde Frau mit rotem Schneuzi-Naserl gar nicht vorstellen kann. Das haben zahlreiche Umfragen unter Männern ergeben. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich der Grad ihrer und der seiner Verkühlung einigermaßen auf demselben Niveau befinden, geht es am Ende doch nur um den sehr individuellen Zugang zum Thema Selbstmitleid. Und dabei, ich gebe es zu, verändere ich gerne mein Verhaltensmuster von „Schweigsamer Denker“ auf, sagen wir, „Ausdrucksstarker Befindlichkeitsanalytiker.“ Aber siehe da: Sie, die mich sonst 53-mal am Tag dazu nötigt, mein Inneres nach außen zu kehren, weil man ja als Mann in Anbetracht jedes Lercherlschases ständig irgendwo „hinfühlen“ muss – sie also zieht wegen meines offenen Umgangs beim einsamen Kampf gegen das übermächtige Bazillenheer ein Schnoferl. Als wäre ihre Konfrontation mit ihren in meiner Heldenkategorie lachhaften Symptomen ein Akt stoischer Gelassenheit. Wo jedes Rotzen und Aufziehen, jedes Näseln und Niesen, jedes Röcheln und ... oh ja ... Schnarchen die Anmut eines Rilke’schen Herbstgedichtes hätte.

Schnief

Die Wahrheit ist: Sie leidet still. Justament still. Und das ist als Stilmittel, den Erkältungsschmerz zu leben, noch viel perfider als so ein bisserl Herren-Gejammer. Ich kenne es nur mittlerweile zu gut, dieses Kuhn-Gesicht, in dem von früh bis spät geschrieben steht: Ich mach’ schon! (Schnief) Frag nicht! (Schnief) Ach, was soll’s, es muss ja! (Schnief) Nein, nein, lass gut sein! (Schnief) Geht schon! (Schnief) Die Strategie dabei ist klar: Schlechtes Gewissen und Druck aufbauen im alltäglichen Erledigungswettkampf. Fragt sich nur, wozu? Denn mehr als alles kann ich ohnehin nicht tun.

Twitter:@MHufnagl

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