Ihre Bestellung, bitte!
Mein Möchtegern-Gott ist niemals ein gestriger oder sofortiger, aber stets ein morgiger Mensch.
Sie
Der Mann nebenan wird nie müde, zu betonen, was sein Vorname zu bedeuten hat – nämlich: Wer ist wie Gott. Sie dürfen raten, wie des Michaels Gesichtsausdruck dabei aussieht – irgendwo zwischen Triumph, Trump, Putin und Wahnsinn. Ich sage dann meist nichts und denke mir stattdessen passendere Namen für ihn aus. Zum Beispiel Gaius Crastinus – mit Betonung auf „Crastinus“. Das heißt so viel wie „morgig“. Punktgenau. Wo doch mein Möchtegern-Gott niemals ein gestriger oder sofortiger, aber stets ein morgiger Mensch ist. Heißt: Er tut lieber morgen als heute und lieber später als jetzt. Nicht umsonst steckt crastinus im Wort prokrastinieren, was wiederum „vertagen“ heißt.
Warten, bitte!
Das Lebensmotto des Gaius Crastus Hufnaglus hat Auswirkungen auf alles – sogar aufs Ausgehen. Da gilt das dringende erste Gebot: Gehe niemals hungrig mit Herrn Michael essen. Denn während die flinke Dame an seiner Seite, auch als Gnä Kuhn bekannt, sehr rasch weiß, dass sie zur Vorspeise etwa Carpaccio und zur Hauptspeise Fischrisotto nehmen wird, sitzt er mit Kulleraugen vor der Karte und lernt offensichtlich auch deren Allergenkennzeichnung auswendig. Die Uhr tickt, er sagt: Hm, herrlich. Oder: Hm, schwierig. Und: Hm, so viele gute Sachen! Dann blättert er hin, dann blättert er her. Und wieder hin. Während ich schon beim dritten Achtel sitze und wir den Kellner zum vierten Mal mit den Worten "Der Herr hat sich leider noch nicht entschieden" wegschicken.
Da kräuselt Gaius Crastus nur die Nase, setzt seinen „Ich-bemüh’-mich-ja-eh“-Blick auf und seufzt: Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Irgendwann raune ich dem Kellner, längst nicht mehr nüchtern, gerne folgende Bestellung zu: Bringen’s dem Herrn gegenüber nix – und mir einen anderen Gast.
Er
Unsere Teller waren fast geleert, da spazierte die Liebste zum Eiskasten, um Wein zu holen. Plötzlich stand sie mit aufgerissenen Augen vor der offenen Tür und rief: „Das darf ja nicht wahr sein!“ Darauf ich: „Was ist denn los?“ Und sie: „Irgendwer war so deppert und hat die Milch gelegt statt gestellt, und jetzt rinnt sie aus.“ Ich erspare mir an dieser Stelle das Ratespiel, wer wohl der depperte Irgendwer gewesen sein könnte, und ergänze die Story nur um meine Antwort: „Und irgendwer war so deppert, die Milch nicht ordentlich zuzuschrauben.“ Den folgenden Diskurs will ich im Detail nicht weiter ausführen, verrate aber: Die Ursachenforschung der Sauerei war eher nicht von liebevoller Fröhlichkeit geprägt. Aber weil ich ein guter Ehemann bin, forderte ich gnä Kuhn betont ruhig auf, Platz zu nehmen, damit wir beide entspannt zu Ende dinieren können und sagte: „Ich kümmere mich danach um alles.“
Bestelltempo
Das ist ungefähr so, als würde ich Feuerwehrmännern raten, vor dem Löschen eines Großbrands noch eine Patience zu legen. Heißt: Völ!lig! un!denk!bar! Auch mein weltkluger Hinweis, dass die Milch seit Stunden auströpfeln würde und daher zwei weitere Minuten am möglichen Untergang der Menschheit auch nichts mehr ändern könnten, hielt sie nicht von fluchenden Sofortmaßnahmen ab. Erledigungsfuror ist bei ihr ein genetischer Code. Das Bestelltempo im Restaurant ist diesbezüglich keine Ausnahme – stets nach dem Prinzip: Suppe. Fisch. Keine Nachspeise. Und du? Bedenkzeiten hält sie für überschätzt. Und daher frage ich mich manchmal: Könnte es sein, dass sie mich einst auch so ausgesucht hat?
Paaradox-Auftritte: 24. 2. in Guntramsdorf, 25. 2. und 18. 3. im Rabenhof.
Twitter: @MHufnagl
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