Es war einmal ein Parksünder
Ich wurde schwach. Nicht nur. Ich wurde selbstkritisch.
Sie
Es gibt Dinge, die kann man nicht erfinden. Die haben Slapstick-Potenzial. Einerseits. Aber auch das Zeug, eine heftige Ehekrise auszulösen. Andererseits. Der Reihe nach. Optimum – oder doch nicht? Es trug sich zu, dass wir vergangenen Sonntag auf der Summerstage eine Paaradox-Lesung hatten. Wir erreichten den Ort des Geschehens pünktlich – auch, weil der Mann nebenan in der Sekunde einen, aus seiner Sicht optimalen, Parkplatz gefunden hatte. Meine Anmerkung, dass man dieses „Optimum“ angesichts eines gefühlten 100-Schilder-Walds allenfalls kritisch prüfen müsste, verhallte ungehört in der lauen Sommerbrise. Auch die Anregung, dass es gegenüber einen besseren Parkplatz gäbe, ohne Schilder-Wirrnis, wurde ignoriert. Und zwar mit einem Schatzi, warum vertraust du mir nicht endlich ein Mal? Ein einziges Mal nur? Dabei schaute er wie ein Dackel, der um Knackwurst bettelt.
Ich wurde schwach. Nicht nur. Ich wurde selbstkritisch, ging im Gedanken all die Situationen durch, in denen ich ihm mit meinem bösen Blick die wunderbar e Michel-Welt verdorben hatte. Eine innere Stimme raunte mir zu: Spielverderberin. Fade Nuss. Böses Weib. Immer du! Reiß dich zusammen. Vertraue ihm. Vor allem aber: Sei endlich, nur ein Mal, bitte, locker! Daraufhin lächelte ich – und sprach: „Hast recht. Sorry, Schatz, super Parkplatz.“ Wir flogen Hand in Hand der Summerstage entgegen, lasen, trafen wunderbare Menschen. Irgendwann brachen wir auf, es war spät und dunkel. So dunkel auch wieder nicht, dass man das Auto nicht finden könnte. Aber! Es war definitiv futsch. Verloren im Schilderwald? Weggezaubert vom Rossauer-Lände-Geist? Nix da, anders. Tatütata, was macht der Michi da: im Halteverbot einer Polizei-Station parken. Ätsch, abgeschleppt!
Er
Das hab’ ich wieder notwendig gehabt. Als wäre die Tatsache, dass sich mein Auto in Luft aufgelöst hat, nicht schon bitter genug gewesen, musste ich auch noch gnä Kuhns Hab’-ich’s-nicht-gesagt-Gesicht hinnehmen, während sie „Ich sag’ jetzt nix“ sagte. Und auch mein lautstarkes Plädoyer, dass so ein Fauxpas alle 25 Jahre schon einmal passieren könne, verbesserte die Atmosphäre nicht spürbar. Zumal die Polizei leider keine überraschende Ansage machte wie Gratuliere, Sie sind 2016 der tausendste Vollkoffer, der direkt vor unserem Amtsgebäude geparkt hat, daher sehen wir von einer Anzeige ab und übernehmen gerne die Abschleppkosten – und das trotz der lieblich (wie peinlich) vorgetragenen Argumenteballade meiner Frau.
Die Beifahrerin
Dennoch will ich nicht darauf verzichten, zum Versuch meiner Ehrenrettung dreierlei zu erwähnen. 1. Vor der Polizei standen auch noch einige andere Autos. Aber leider keine Einsatzfahrzeuge (die hätte ich nämlich erkannt), sondern nur die Privatboliden der Beamten. Und dieses idyllische Bild einer alltäglichen Parkraumsituation hatte mich zur Nachlässigkeit verführt. 2. Von hundert Ausflügen, die wir mit dem Auto unternehmen, bin ich (weil sie es aus mehreren Gründen so bevorzugt) wie oft der Lenker und daher verantwortlich für Heil & Glück? Richtig, hundert Mal! Weshalb die Chance, dass sie jemals an irgendetwas schuld sein könnte, bei null Prozent liegt. 3. Als Beifahrerin ist sie daher nicht nur umso mehr unermüdliche Besserwisserin und Tippgeberin, sondern vor allem eine Ikone der Dauersorge. Weshalb ich nach vielen gemeinsamen Ehe- und Auto-Jahren ihre Obachtsneurose nur mehr gelassen belächle. Tja, drei oder vier Mal im Leben muss ich genau dafür eben einen hohen Preis zahlen. Punkt. Aus. Fortsetzung folgt frühestens 2041.
Twitter: @MHufnagl
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