Alles kann, nix muss
Wer noch am Zappelphilipp-Syndrom oder schon an seniler Bettflucht leidet.
Sie
Die Urlaubsumgebung auf das seltsame Verhalten anderer „Männer nebenan“ abzuklopfen, kann sehr, sehr interessant sein. Mir tat etwa die Gnä’ X leid, deren an sich ansehnlicher Ehemann entweder noch am Zappelphilipp-Syndrom oder schon an seniler Bettflucht leidet. Im Herzen Österreichs lauschte ich Dialogen wie diesem – er: „Liebes, morgen möchte ich schon um fünf Uhr früh den Westzipfl-Steig auf den Oberwastl nehmen. Der Wetterbericht schaut super aus.“ Sie: „Hm, aber halbacht würde doch vollkommen reichen. Die Oberwastl-Tour über den Westzipfl dauert ja laut Tourenführer nur drei Stunden. Ich muss ja nicht schon um acht Uhr oben sein!“ Er: „Oh, sollten wir doch, weil ich um 14 Uhr wieder unten sein muss. Da habe ich dann zwei Stunden Tennis mit dem netten Herrn aus Hamburg. Außerdem möchte ich unbedingt vor dem Abendessen noch eine Runde um den See laufen.“ Sie: „Du, würde es dir viel ausmachen, wenn du den Oberwastl ohne mich bezwingst? Ich möchte mich im Urlaub halt auch gerne ausschlafen.“ Er: „Das macht mir sogar sehr viel aus. Endlich haben wir einmal Zeit füreinander …“
Alles kann, nix muss
Ehrlich? Ich würde die Dame gerne auf zwei oder drei Hugo einladen, während ihr Hasi gerade laufen, Tennis oder Golf spielen ist. Da lobe ich mir den Mann nebenan. Der antwortete auf die Frage, ob wir anderntags um 9 Uhr gen Oberwastl aufbrechen sollen, so: „Geht’s nicht auch um 11? Oder 12?“ Als ich das Argument der Mittagshitze anführte, entgegnete er: „Wir können den Oberwastl auch auslassen.“ Und so kann es bei uns durchaus vorkommen, dass wir im Bergurlaub keinen einzigen Berg von oben gesehen haben. Dafür war die Luft im Wellnessbereich wirklich fantastisch.
Er
Das schöne an einer langen Ehe ist unter anderem auch, dass man den Unterschied zwischen „Du musst es ehrlich sagen, wenn du nicht magst“ und „Du musst es ehrlich sagen, wenn du nicht magst“ ganz genau kennt. Der Blick, die Körperhaltung und nicht zuletzt der Tonfall geben einem in der Sekunde das richtige Gefühl, woran man ist. Denn in einem Fall schwingt völlig unmissverständlich der Nebensatz „ ..., aber wehe du magst nicht, dann bin ich mindestens zwei Tage lang ang’fressen“ mit. Während im anderen Fall aufrichtige Empathie ins Spiel kommt (meistens dann, wenn die Liebste eh lieber allein um den See, auf den Berg oder in diese merkwürdige Kabine, die Tepidarium genannt wird, gehen will).
Expeditionen
Ich gestehe an dieser Stelle aber wirklich gerne, wie sehr ich es an meiner Frau schätze, dass sie schon ganz früh in unserer Partnerschaft die meisten Versuche eingestellt hat, mich für ihre speziellen Urlaubsideen zu missionieren. Sie akzeptiert zum Beispiel längst, dass ich nicht in kleinen, romantischen, autochthonen Selbstversorgerhütten im Hinterland einer einsamen Insel wochenlang mein inneres Ich suchen will. Und auch, wenn es um Expeditionen im Stil von Töpferwerk-stattbesuchen im reizenden Bergdorf oder Zikadenstreicheln bei Vollmond geht, weiß sie, dass derlei nur sinnvoll ist, wenn es tatsächlich beide erleben wollen. Dafür kann es schon vorkommen, dass wir um drei Uhr früh spontan beschließen, schwimmen zu gehen. Damit am Ende nicht womöglich das Kofferpacken unsere größte Urlaubsverrücktheit war.
Unsere nächsten Auftritte: 23. 9. (Tag der offenen KURIER-Tür), 30. 9. in St. Pölten (Bühne am Hof), 3. 10. im Wiener Rabenhof (alle Herbsttermine auf paaradox.at)
Twitter: @MHufnagl
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