Machma? Schauma?

Romantisch. Oder?
Der schmale Grat zwischen Stille und Action, zwischen lassen und tun.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Wichtig ist: Gemeinsam. Noch wichtiger ist: Jetzt, jetzt, jetzt!

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Im Urlaub liegen einem die Stunden zu Füßen. Wie Sandkörner am Strand oder mit der Zeit wachsende Dreckwäscheinseln am Boden des Hotelzimmers. Da ich aber in diesem Zustand der Gelassenheit begeisterte Herrensocken-, Unterhosen- und Handtuchpflückerin bin, lächle ich und klaube auf. Das Gute an diesem Ritual: Es erinnert an daheim, wo sich ähnliche Szenen abspielen – nur halt nicht auf 35 m², sondern auf 135. Aber das wollte ich gar nicht erzählen. Stichwort Stunden. Man wacht auf, man hat Zeit, ein Tag am Meer beginnt und wie jeden Tag am Meer stellt einer von uns die Frage: Was machma heute? Der Mann nebenan antwortet dann meist: Frühstücken erst einmal. Frühstücken heißt lange frühstücken. Widerlich lange frühstücken.

Eigene Pläne

Ich bin flink, auch im Urlaub. Brot, Butter, Milch, etwas Obst – dafür muss niemand zwei Stunden blöd herumsitzen. Also stelle ich dann auch die Frage: Was machma heute? Ahnend, dass der Rest der Familie längst eigene Pläne für sich gefasst hat. Das Kind ist glücklich, wenn es im Epizentrum eines WLANs sitzen kann. Der Mann ist glücklich, wenn er machen kann, was er will und ihn niemand dafür belangt: lesen, schauen, lesen, essen, lesen, dösen, kurz ins Wasser gehen, lesen, dösen, essen. Gegen einen Ausflug zum WLAN hat er auch nix. Ich hingegen schmökere still im Reiseführer, um wenigstens so zu erfahren, dass auf dem Hügel hinter uns ein atemberaubender Weg in duftende Natur führt. Und es dort oben ein entzückendes Dorf gibt, wo Einheimische Selbstgemachtes servieren. Ob der Urlaub trotzdem schön ist, fragen Sie mich? Ja, klar. Weil ich es am Ende des Tages am Meer trotz allem liebe, wenn wir zu dritt in den Sonnenuntergang starren und reden. Über alles, nichts und über das, was wir alles unternehmen würden, wären wir hier noch drei Monate.

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Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Ein kleines Beispiel zur Veranschaulichung des Wesens an meiner Seite. Beim Stöbern in den DVD-Regalen des Elektromarkts entdeckte meine Frau „The Rocky Horror Picture Show“. Diese sagenhafte Entdeckung entlockte ihr einen Jubelschrei, und in einem Anfall von Sentimentalität erstand sie das Werk.

Am selben Abend noch wollte sie (zum 23. Mal in ihrem Leben) Rocky Horror schauen. Un!Be!Dingt! Aber ich hatte keine Lust, und sie sprach: „Warum nicht? Geh bitte! Jetzt komm schon!“ Auch ihre Tochter hatte keine Lust, und sie sprach: „Das ist echt genial. Das wird dir urevolle taugen. Hm? Und? Was ist? Schauma?“

Argumente zählten längst nicht mehr. Kein Es ist so schönes Wetter, und du willst dich vor den Fernseher setzen? Kein Das können wir morgen oder irgendwann in den nächsten Tagen auch noch schauen. Kein Nein. Nein. Und nochmals Nein! Aber „ein anderes Mal“ ist für diese Frau keine Option. In ihrer Welt ist es nicht im geringsten vorstellbar, dass sich ihre Begeisterung nicht in Sekundenschnelle automatisch auf alle anderen Menschen überträgt.

Jetzt

Im Urlaub bedeutet das, Gabymami will ins Meer baden gehen. Oder einen Strandspaziergang machen. Oder einen Ausflug in die Stadt unternehmen. Oder eine Kleinigkeit zu Mittag essen. Oder. Oder. Oder. Wichtig ist: Gemeinsam. Noch wichtiger ist: Jetzt, jetzt, jetzt!

Wenn ich aber dann sage, dass ich die Lektüre des Buches lieber noch eine halbe Stunde fortsetzen würde oder meine Tochter nicht einmal die Kopfhörer abnimmt, um ihr Nein zu artikulieren, dann taucht sie rasend schnell in die Trotzphase ein. Deren Kernsätze lauten: „Ihr seid so fad“ sowie „Früher war das alles anders.“ Ja, eh. Ich zitiere Riff Raff:

It’s astounding / Time is fleeting / Madness takes its toll .

Twitter: @MHufnagl

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