Es ist immer das Gleiche!

Es ist immer das Gleiche!
Wie gehen wir mit nervenden Kleinigkeiten um? Vor allem unterschiedlich!
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Meine Galaxie hat einen Dreitagesbart und schläft jede Nacht neben mir.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Manchmal habe ich das Gefühl, der Mann nebenan und ich sind in einer Matrix gefangen, einer Art Strickmuster aus Wiederholungszwängen. Wobei er wiederholt, und ich – so ehrlich bin ich – zwängle. Kein Wunder, schließlich liefert er mir täglich ein Déjà-vu nach dem Motto: "Net scho wieder!" Andere würden deshalb vielleicht zum Reinkarnationstherapeuten hecheln, um zu fragen, ob diese Wiederholungen nicht aus einem Leben in einer anderen Galaxie stammen könnten. Ich nicht, weil ich weiß: Meine Galaxie hat einen Dreitagesbart und schläft jede Nacht neben mir.

Kannst du nicht?

Und so kommt’s, dass sich folgende Szenen beinahe täglich wiederholen: 1. Ich will die Lampe im Arbeitszimmer aufdrehen – aber es geht nicht. Er hat wie immer den Stecker rausgezogen, weil er dort wie immer sein Handy zum Laden anhängt. 2. Ich komme nach Hause und will ins Wohnzimmer gehen, aber es geht nicht, weil seine Tennistasche wie immer im Weg steht und ich wie immer drübersteigen muss. 3. Ich setze mich an den Laptop, um etwas zu arbeiten. Und stelle fest, dass das Ding seit 12 Stunden wie immer durchläuft, weil er wie immer vergessen hat, es auszuschalten (obwohl dort seit Wochen ein Post-it mit "Bitte dreh mich ab!" pickt). Das alles wäre nicht so schlimm, hätte ich mir nicht zu all den erwähnten Vorkommnissen einen Wolf geredet, in ein Musst-du?-&-Kannst-du-nicht?-Delirium. Etwa: "Musst du immer dein Handy genau dort laden? "Kannst du den Lampenstecker nicht einfach wieder reintun?" Oder: "Musst du deine Tasche fallen lassen? Kannst du sie nicht einfach in den Keller geben?" Dass ich das alles auch in ein Plastiksackerl plauschen könnte, auf dem draufsteht: Wo ist der Mensch, den das interessiert? ist eine ganz andere Geschichte. Ich fürchte nur, keiner will sie hören.

Twitter: @GabrieleKuhn

Er

Im Laufe unserer vielen gemeinsamen Jahre habe ich selbstverständlich auch einen Sensor für die zahlreichen rhetorische Strategien meiner Frau entwickelt. Daher lächle ich auch nur milde über Appelle, die mit Ich weiß eh, dass ich mühsam bin, aber ... beginnen. Und ja, ich habe sogar Verständnis dafür, dass sie versucht, ihr Ziel mit einem listigen Mea-culpa-Einstieg zu erreichen. Immerhin ist so eine kleine Sporttasche, die drei Minuten länger wo steht, als sie dort stehen müsste, schon einen Fünferblock beim Therapeuten wert. Aber ehrlich, es funktioniert. Wenn sie zum leidenden Du wirst jetzt wieder sagen, dass ... ansetzt, erhöre ich sie in den meisten Fällen augenblicklich. Und ohne etwas zu sagen. Justament.

Schieflage

Und ich glaube, das ist in Wahrheit der größte kleine Unterschied zwischen uns beiden. Denn die vielen nervenden Kleinigkeiten, die in so einem Eheleben anfallen, teilen sich klarerweise in ungefähr gleichen Dimensionen auf beide auf. Nur: Durch ihr ständiges Betonen meiner Defizite entsteht der Eindruck einer Schieflage. Ich nämlich nehme es unkommentiert hin, dass sie ihre Abschminktücher am Waschbeckenrand liegen lässt. Und dass sie die kleinen Glasbehälter in den Restmüll wirft. Und dass sie Zierpolster-Landschaften im Bett erschafft. Und dass sie auf Einkaufslisten u. a. Joghurt schreibt, aber grundsätzlich nie, ob sie einen, fünf oder 23 Becher davon will. Und dass sie "sicher spätestens um sieben Uhr" daheim sein wird, und bei ihrem Eintreffen um 19.35 Uhr "Upsi" sagt. Und. Und. Und. Das alles würde ich als Petitessen-Kram nie in einer Kolumne schreiben. Aber bitte, sie hat mich echt provoziert. So, und jetzt werde ich die Sporttasche im Zeitungskorb verstauen. Denn wichtig ist bei uns zu Hause nur eines: Hauptsache weg!

Twitter: @MHufnagl

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