Die Trennung
Stille ist für ihn stets das Signal zum Anwerfen des Fernsehers.
Sie
Ich bin weg. Ohne MNA (Mann nebenan). Fix ist: Das werde ich wiederholen. Da ist etwa die Stille, nur unterbrochen vom Klopfen des Spechts oder vom Rauschen des Flusses, an dem ich entlangschlendere. Ungewohnt. Denn wenn bei uns daheim Stille herrscht, tut der MNA garantiert etwas dagegen. Stille ist für ihn stets das Signal zum Anwerfen des Fernsehers. Stille bedeutet: Da muss es irgendwo in den Tiefen der Kabelnetze ein Matcherl geben. Und so kommt’s, dass mir hysterische deutsche Sportreporter mit So nich, Moritz Stoppelkamp, so nich!-Rufen oder auch Gehaaaaalten, Kruse hat gehaaaaalten! die Tage versüßen. Es handelt sich dabei nicht um große Partien im Stile von „FC Bayern“ versus „Borussia Dortmund“, sondern um Schlachten wie FC Paderborn gegen 1. FC Kaiserslautern der zweiten deutschen Bundesliga. Daher: Stille atmen – und maximal den Damen beim Stretchen auf der Hotelwiese zusehen, um ihr Jössas, tuat des weh! vorbeiziehen zu lassen.
Wiedergekäutes
Da ist auch kein Gegenüber, das das Mahl auf meinem Teller mit Wäh, grauslich – das willst du essen, das schaut aus wie gespieben! kommentiert. Denn klar habe ich mich in meiner Erholungswoche dazu entschlossen, fleischlos zu schmausen. Mit dem einen oder anderen Körndlbrei, den er als Wiedergekäutes identifizieren würde, das nur für Lebewesen mit vier Mägen geeignet sei. Er würde sagen: Du hast nur einen Magen, Schatzi, gell?! Der verdient nur das Beste. (Also Fleisch). Apropos „Bestes“: Ich muss mir auch nicht anhören, dass es besser für mich sei, weitere fünf Stunden im Wellnessbereich herumzukugeln, weil: Wandern so öd ist. Nachsatz: Lass los! Ja, Schatz, genau das mache ich gerade, und zwar ohne dich: Ich lasse los. Aber sei gewahr: I’ll be back. Bald.
Er
Sie ist weg. Einfach so. Ohne mich. Sie nimmt ein ausgiebiges Naturbad und spaziert Hand in Hand mit der Stille durchs geliebte Grün. Und immer, wenn ich auf meine Jacke blicke, die ich seit Tagen lässig über den Wohnzimmersessel werfe, auf den Geschirrspüler, der mit geradezu magischer Akribie eingeräumt ist, auf den Küchentisch, auf dem Zeitungen und Magazine mit großer Liebe verteilt liegen, ja, dann macht sich in meinem Gesicht ein seliges Lächeln breit und ich denke mir: Ach, ich gönne der Liebsten diesen Ausflug in die Einsamkeit. Vor zwei Tagen habe ich sogar quasi justament die Überdecke zu einem Knödel geformt und aus Jux als Stillleben mitten aufs Bett gelegt. Als Zeichen an mich selbst, getreu dem Credo: Ja, Michael, solche rebellischen Sachen kannst du jetzt tun, und niemand wird um die Ecke biegen und sagen: „Spinnst du jetzt völlig?“ Bestenfalls werde ich es mir selbst denken.
Fußballparadies
In diesem Sinn habe ich mein archaisches Treiben sogar dem Hund mitgeteilt, um meiner speziellen Situation Gehör zu verschaffen: „Und schmeißt sich das Herrli jetzt zu so später Stunde noch ein großes Fleischili in die Pfanne? Ja sicher! Und wird das Herrli mit dem Teller ohne blödes Ratatouille drauf aufs Sofa übersiedeln und sich dort den schlechtesten Action-Film ansehen, den man finden kann? Na freilich, soooo fein!“ Dass dieses Ausklinken von gnä Kuhn dann noch zufällig in die Zeit fällt, in der ein Europa-League-Endspiel, ein englisches, italienisches, deutsches und spanisches Cupfinale stattfinden, fällt in die Kategorie „Gerechtigkeit“. Aber kaum machte ich es mir mit den Erdnusslocken im Fußballparadies gemütlich, fiel mir ihr Standardsatz ein: „Welche Schaspartie is’ heute?“. Dann lachte ich laut und sagte zum wedelnden Hund: „Gell, das Frauli fehlt uns schon sehr?!“
Twitter: @MHufnagl
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