Das Ende der Scheinheiligkeit
Wenn die scheinheilige Höflichkeit aufgebraucht ist, zeigt sich, wer wir wirklich sind
Von der Höflichkeit war gestern an dieser Stelle die Rede. Schuld daran war ein – beinahe unhöfliches – Zitat von Christoph Waltz: „Die Österreicher sind höflich, aber sie meinen es nicht so.“ Wie eine Fortsetzung las sich da das KURIER-Interview mit dem Schauspieler Fahri Yardim:
Der spielt die Rolle des Lehrers in der, soeben in die Kinos gekommenen, Verfilmung von „Jugend ohne Gott“. Und er sagt über die Leistungsgesellschaft, in die Ödön von Horváths Roman aus 1937 für den Film transferiert wurde: „Alle scheinheilige Höflichkeit ist aufgebraucht. Anstelle von Solidarität tritt die pragmatische Einteilung in Gewinner und Verlierer.“
Und man spürt: Das ist nicht nur ein Film. Das ist Wahlkampf. Das ist Asylpolitik. Das ist unser Bildungssystem. Das ist der Arbeitsmarkt und das Gesundheitssystem ebenso wie die Finanzwelt. Das ist die dunkle Seite jeder Beziehung, jeder Freundschaft, jedes Arbeitsverhältnisses. Das ist 2017.
Dort, wo die scheinheilige Höflichkeit aufgebraucht ist und die Ellbogengesellschaft beginnt, zeigt sich, wer wir wirklich sind: Gewinner, Verlierer oder immer noch Menschen.
Kommentare