Roh-Diamant

Julia Pfligl

Ich scheine die einzige Mittzwanzigerin der Stadt zu sein, die nicht beim Hipster-Klassentreffen alias Feschmarkt war. Warum ich das glaube? Am Wochenende bestand mein Instagram quasi nur noch aus Fotos von ansehnlichen Häppchen und ausgefallenen Schmuckstücken. Alles mit Liebe und von Hand gemacht, eh klar.

Doch nicht nur im virtuellen Leben herrschte Feschmarkt-Euphorie. Am Samstag hielt mir Freundin T., bekannt für ihren Hang zur modischen Extravaganz, stolz ihre Hand unter die Nase. Am Mittelfinger prangte ein güldener Ring mit türkis gefärbten, rohen Reiskörnern, die zu einem riesigen Klunker verklebt worden waren. T.s Nägel waren in einem passenden Ton lackiert, was das fernöstliche Prachtexemplar so richtig in Szene setzte. Ich wollte gerade fragen, ob sie sich mit einem Sushi-Koch verlobt hatte, als die Erklärung kam: "Vom Feschmarkt", strahlte sie – jeden der 35 Euro wert, weil angefertigt in ökologisch korrekter Handarbeit von einer Künstlerin aus Indonesien. Tags darauf traf ich D., an deren Ohren Federn aus besonders weichem Leder baumelten. Ich ahnte schon, was kommen würde. "Die sind vom Feschmarkt. SO cool dort!"

Ich habe verstanden: Nächstes Jahr geh ich auch hin. Und kauf mir eine schöne Kartoffel-Kette.

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