Hochaufgelöst, umso verschwommener

Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Von der Angelobung des US-Präsidenten veröffentlichte CNN heuer ein sogenanntes "Gigapixel"-Foto. Eine Fotografie, die derart leistungsstark ist, dass sie nicht nur die Gesichter jedes x-beliebigen Ehrengastes erkennen lässt, sondern sogar einen Blick auf die Notenständer des Orchesters unter dem Balkon erlaubt. "Clarinette" steht auf einem zu lesen, wenn man in das monströse Bild nur weit genug hineinzoomt.

Als Barack Obama 2009 das erste Mal angelobt wurde, war das Verfahren bekannt, aber noch nicht nicht so hoch verfeinert. Was auf den Notenmappen stand, verschwamm noch.

Dafür ist deutlich zu erkennen, was Trump bestreitet: Bei Obama war auf dem Vorplatz der Zeremonie kaum ein Platz frei. Vergangenen Freitag waren die Menschengruppen schütter wie Trumps Haare.

Die Nachrichtentechnik überflügelt sich selbst. Dennoch verschwimmen die Fakten. Donald Trump ließ den Pressesprecher des Weißen Hauses als erste (!) Amtshandlung Lügen verbreiten. Noch nie habe es so viele Menschen bei einer Angelobung gegeben, "PUNKT!". Trump erklärte obendrein noch, nach seiner Rede sei die Sonne aufgegangen (die Leute klappten in Wahrheit Regenschirme auf).

Jetzt kann man den mächtigsten Mann der freien Welt für bescheuert halten, aber es ist augenscheinlich: Was immer er behauptet, sickert in die einschlägigen Foren, Websites und Facebookgruppen seiner Fans ein. Da steht dann sinngemäß, die verzweifelte Presse bestreite, dass der Himmel grün sei, wie Trump behaupte, oder Hühnereier halt eckig.

Und weil das Internet ein Raum von beliebig dehnbarer Größe ist, findet sich dort auch unermesslicher Stuss. Von Porno bis Lügengeschichten im Auftrag des Präsidenten der USA: Es ist nicht mehr klar, welche Wellen welche Information an Land tragen. Und welche die Brandung erschlägt. Es könnte die New York Times durchkommen, CNN, oder eben die Twitter-Trolle Trumps. Ein Szenario, das zu Recht Angst macht.

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