Ganz schön blöd

Philipp Wilhelmer

Philipp Wilhelmer

Es ist hoch an der Zeit, diese Füllstoffe der gefühlten Wahrheiten restlos zu entsorgen.

von Philipp Wilhelmer

Über Vorurteil statt Recherche

Je weiter Journalisten von den Objekten ihrer Recherche entfernt sind, desto größere Lücken tun sich in ihrem Wissen auf. Nun: Wie geht man damit um, wenn man nur drei Fakten und viele offene Fragen hat? Die simpelste Möglichkeit: Mutmaßen. Und das tun Journalisten gern anhand von Erfahrungswerten, die bis zum Ressentiment reichen können. Es ist hoch an der Zeit, diese Füllstoffe der gefühlten Wahrheiten restlos zu entsorgen: Wo wir nicht weiter wissen, können wir nicht weiter schreiben, so einfach ist das. Alles, was über Rechercheergebnisse hinausgeht, sind Deutungen, die viel über die eigene Unerfahrenheit (schlecht) und das eigene Weltbild (ganz schlecht) verraten. In diese Falle tappen Journalisten aller weltanschaulichen Lager.

Jüngst etwa hat die rechte AfD-Fanzeitung Junge Freiheit, die selbst gern die „linke Lügenpresse“ geißelt, die Meldung verbreitet, der ORF habe in eine überschwemmten deutschen Stadt Flüchtlinge bei nachgestellten Aufräumarbeiten gefilmt.Wie sich rasch zeigte, handelte es sich nicht um den ORF. Für die auf Facebook tausendfach verbreitete Kausalkette „Flüchtlinge“–„gestellt“–„Fernsehen“–„Lügenpresse“ reichte die Story dennoch. Dabei weiß offenbar keiner so recht, wer hier was gedreht hat – und für welchen Zweck. Diese offenen Fragen wurden vom Autor mit Vorurteilen aufgefüllt.

Das wiederum fiel mir nur auf, weil sie meiner Weltanschauung widersprechen. Ganz schön blöd, die anderen.

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