Eurokrise: "Ein Crash ist die Pleite aller"

Schwarz-rotes Kanzler-Duo: Merkel und Faymann telefonieren mehrmals wöchentlich und stimmen sich in EU-Angelegenheiten ab. Aber nicht um jeden Preis: Bundeskanzler Faymann ist etwa für Eurobonds, Deutschlands Regierungschefin ist strikt dagegen.
Europas Spitzenpolitiker und Notenbanker hängen diesen Sonntag permanent am Telefon. Das Wort "Alarmbereitschaft" vermeiden sie bewusst.
Margaretha Kopeinig

Margaretha Kopeinig

Hoch über Krems und der Donau, im Benediktiner-Stift am Göttweigerberg, treffen sich am Wochenende europäische Politiker, Unternehmer und Banker. Auf hohem Niveau wird auf Einladung von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll und Vizekanzler Michael Spindelegger über " Europas Identität und was davon bleibt" diskutiert.

In Wirklichkeit macht sich neuer Nationalismus mit hässlichen Attacken breit. In griechischen Medien wird Bundeskanzlerin Angela Merkel in Nazi-Uniform gezeigt. Italienische Finanz- und Wirtschaftsblätter sowie ein mächtiger Verband von Managern und Lobbyisten wettern in einer ganzseitigen Anzeige im Handelsblatt gegen die "werte Frau Merkel" und die "lieben Bürger Deutschlands".

Die Unterzeichner kritisieren, Deutschland habe in der EU ein "ausschließlich auf den eigenen Vorteil gerichtetes Verhalten angewendet und so Ausnahmeregelungen und Vergünstigungen erhalten, aus denen es erhebliche Vorteile ziehen konnte". Sechs Beispiele, von der Wiedervereinigung bis zur Bankenhilfe, sollen die Vorwürfe veranschaulichen.

Entsetzen

Eurokrise: "Ein Crash ist die Pleite aller"

Elmar Brok, Merkels engster Vertrauter im Europäischen Parlament, ist entsetzt: "Das schaukelt nur emotionale Gefühle hoch. Die Leute, die hinter diesem Inserat stehen, sind reformunwillig. Was sie leisten, können sie gegenüber der Bevölkerung nicht mehr erklären, das ist ihr Problem."

In Rage kommt Brok, wenn es um nationale Egoismen geht. "Schuld an der Krise sind die Nationalstaaten, die bisher selbstherrlich ihre Politik bestimmt und Europas Entwicklung gebremst haben." Für den CDU-Politiker sind die nächsten Wochen für den Fortbestand der EU entscheidend. "Ein Crash ist die Pleite aller. Um das zu vermeiden, werden wir zu Entwicklungen gezwungen, die bisher niemand für möglich gehalten hat."

EU-Kommissar Johannes Hahn ermahnt die Kollegen, in der Krise richtig zu kommunizieren. "50 Prozent der Politik sind Psychologie." Es sei immer besser, sich "auf Fakten und nicht auf Einschätzungen zu verlassen".

Gelassen sieht er der Griechen-Wahl entgegen und ist überzeugt, dass die radikale Linke am Tag danach den Ton ändern werde. Was immer in Athen passiert, für den Abend plant Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine Kommunikationskette zu allen Kommissaren. "Ich bin online", sagte Hahn. "Außer in der Zeit, wo ich von Wien nach Kopenhagen am Weg zu einer Ostsee-Konferenz im Flieger sitze."

Europas Spitzenpolitiker hängen Sonntagabend am Telefon. Euro-Chef Jean-Claude Juncker koordiniert die Kontakte quer durch Europa. Eine Nachfrage in diversen Staatskanzleien ergibt: "Alle sind in Bereitschaft." Auf das Wort "Alarmbereitschaft" wird bewusst verzichtet. Man will ja "keine Panik provozieren. Es gilt, kühlen Kopf zu bewahren und den Ausgang der griechischen Wahl abwarten", heißt es allerorts.

Ratio

Zu rationalem Handeln sind die Notenbank-Gouverneure der Euro-Länder sowie der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi gezwungen. Sie reden Tacheles, bleiben cool und reagieren rasch. Das erwarten die Märkte, Zögern wird von den Finanzmärkten bestraft. Notlügen, wie sie Politiker gegenüber Wählern oft verwenden, sind für die Hüter des Euro ein Tabu. Für Österreich agiert Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny , er ist ständig mit Bundeskanzler Werner Faymann und Finanzministerin Maria Fekter in Kontakt.

In Berlin beobachtet Merkel, was die EZB in Frankfurt macht. Sie hat den Abflug zum G-20-Gipfel nach Mexiko auf Mitternacht verschoben, auf News aus Athen, Frankfurt oder Paris ist sie angewiesen, das Match der deutschen Nationalmannschaft will sie nicht versäumen. Sie verfolgt die "fußballerischen und politischen" Entwicklungen, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert mit Blick auf das EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark in Lemberg.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande sitzt im Élysée-Palast und wartet sowohl auf die Ergebnisse der Parlamentswahl als auch auf Infos aus Griechenland. Wie er die Kommunikation steuert, ist "Secret d`État" (Staatsgeheimnis), wurde dem KURIER gesagt.

In Österreich ist Fekter eine Schaltstelle für Nachrichten. Sie telefoniert mit Juncker, Faymann, Spindelegger und Nowotny. In Reichweite der Ministerin ist stets Staatssekretär Andreas Schieder , man kann nur hoffen, dass die beiden ihre Streitigkeiten beilegen, wenn es um Europa geht.

Die österreichischen Spitzen im EU-Parlament, Vizepräsident Othmar Karas und der Vorsitzende der Europäischen Sozialdemokraten, Hannes Swoboda , sind in Wien. Swoboda diskutiert am Abend in der ORF-Sendung Im Zentrum mit Euro-Gegner Thilo Sarrazin . Thema: Griechenland.

Bundespräsident Heinz Fischer erkundet am Wochenende mit Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle die von Österreich geleiteten archäologischen Ausgrabungen in Ephesos und Troja. Sonntagabend ist er wieder in Wien, um den nächsten Akt der griechischen Tragödie zu verfolgen.

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