Gejagt & geschlagen

Anstoß
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Geschätzte 45.000 Problemkinder sollen jetzt schon verschwunden bzw. in Gefängnissen gelandet sein.

von Wolfgang Winheim

über Brasilien

In 170 Tagen beginnt die Fußball-WM. Zugegeben, es gibt aktuellere Sportgeschichten. Und es gibt vor allem viel besser zum Heiligen Abend passende. Aber soll deshalb ignoriert werden, was im größten katholischen Land der Welt Nacht für Nacht passiert?

Während hierzulande so manche Kinder nicht wissen, welches Packerl sie heute unterm Lichterbaum zuerst öffnen sollen, werden sie im schönen Rio de Janeiro gejagt, geschlagen, eingesperrt.

Eine kirchliche Organisation, die sich um das Schicksal der Unterprivilegiertesten kümmert, schlägt Alarm. Sie wirft der Regierung von Rio vor, die Straßenkinder mit gnadenloser Härte aus dem Stadtbild zu entfernen. Zu WM-Beginn wird kein kleiner Bettler mehr zu sehen sein.

Geschätzte 45.000 Problemkinder sollen jetzt schon verschwunden bzw. in Gefängnissen gelandet sein. Mit geschmacklosem Zynismus ließe sich hinzufügen, dass Rios Straßenkinder im Gegensatz zu 30 Prozent ihrer österreichischen Alterskollegen nicht an Fettleibigkeit leiden.

Traurig, dass das soziale Ungleichgewicht immer erst dann zum großen medialen Thema wird, wenn ein sportliches Großereignis bevorsteht. Danach beschäftigt das brutale Los der Menschen in diesen Ländern kaum noch wen. Im religiösen Brasilien – Herrgott noch einmal – wird das anders sein. Denn in Rio finden zwei Jahre nach der Fußball-WM auch die Olympischen Spiele statt.

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