Auf Kanzler-Kurs: Wie sich Kickl neu zu (er)finden versucht

Er beginnt wie gewohnt. Wie man ihn kennt. Den Oppositionspolitiker, der das Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen als "Mumie" bezeichnet. Der 2024 beim Neujahrstreffen noch Regierungsverantwortliche von ÖVP und Grünen aus der Corona-Zeit in "Fahndungslisten" anführen will.
Herbert Kickl erklärt die "Zuckerlkoalition für gesprengt", das "verkehrte Denken" für vergangen. Doch relativ schnell beginnt er dann seine eigene Geschichte(n)erzählung und damit einher geht seine neue Rolle.

Kickl muss die Oppositionsrolle ablegen, will er mit der ÖVP tatsächlich eine Regierung verhandeln und selbige eingehen. Und das versucht er auf offener Bühne, über eine Stunde lang in der Pyramide in Vösendorf.
Der schärfste Rhetoriker unter den Spitzenpolitikern schickt in der Pyramide Vösendorf "Umarmungen, Busserl" und sagt zu 3.000 Funktionären wie Fans, die "Kickl kann's"-Schilder in die Höhe halten: "Ich liebe Euch".
"Ich liebe Euch"
Er dankt EU-Mandatar Harald Vilimsky für seinen Patriotismus, Christof Bitschi für die "Frischzellenkur im Ländle", getraut sich einen Tag vor der Burgenland-Wahl seinem Vorgänger im Amt und Kontrahenten in der Partei - Norbert Hofer - bereits zum Wahlerfolg zu gratulieren - da blitzt es kurz durch.

Mario Kunasek, Christof Bitschi, Dominik Nepp, Herbert Kickl
Doch dem Versatzstück seiner sonstigen Kritik-Kanonaden ("Kim Jong"-Doskozil ist auf "Entwöhnung") folgen sogleich verbale Streicheleinheiten gen Süden. Mit Mario Kunasek habe die Steiermark "einen Landesvater ganz im Geiste von Jörg Haider". Dominik Nepp werde in Wien "die blaue Welle" weiterreiten und habe das Surfbrett schon ausgepackt.
Politik müsse "fühlen wie die eigene Bevölkerung", "denken wie die eigene Bevölkerung", "handeln wie die eigene Bevölkerung". Kickl will die "große Welle" zu einer "rot-weiß-roten Welle transformieren". Und muss sich dafür selbst transformieren, sich in seiner neuen Rolle wie einer neuen Rhetorik zurecht finden. Eine ähnliche 180 Grad-Wende vollführen wie sein Verhandlungsgegenüber, ÖVP-Chef Christian Stocker. Weniger stakkatoartiges Skandieren ("Klimakommunismus", "Bürokratiemonster") mehr metaphorisches Erzählen ist beim Neujahrstreffen zu hören. Drei klare und vielleicht eine versteckte Botschaft sind in seiner Rede zu finden.

Neujahrstreffen in Vösendorf
Kickl bleibt beim Bild der "Festung Österreich", doch diese sei nicht wie bei Lego gebaut, sondern bestehe aus "Paragrafen und Verordnungen, aus Sachleistungen statt Bargeld, aus negativen Asylbescheiden, aus Heimreise-Zertifikaten, aus Abschiebeflügen“.
Aufräumen will der FPÖ-Chef und nunmehrige Regierungsverhandler mit der Russland-Affinität und EU-Kritik der Freiheitlichen. "Ich lasse uns und ich lasse mir von niemandem eine Russland-Nähe unterstellen, weil es diese Russland-Nähe nicht gibt. Punkt. Aus. Fertig", richtet Kickl aus. Und: "Kein Freiheitlicher will aus der EU austreten. Wir wollen, dass die EU in eine Phase der Rückbesinnung eintritt". Zudem sei "keine Zeit für Klassenkampf".
Herbert Kickl muss sich gemäßigter und staatstragender geben, will er der erste FPÖ-Bundeskanzler werden. Und das weiß er.
Für Österreich sei eine "Kurskorrektur" von nöten, doch die gelinge nicht von heute auf morgen, sagt er am Samstag. So verhält es sich auch mit dem neuen Image, das er sich (auch selbst) zurechtlegen muss. Kickl betont dutzendfach, er wolle "ehrlich sein" und "ehrlich regieren", wie auf der Bühne geschrieben steht, auf der er sagt: "Zaubern kann niemand, aber arbeiten können wir." Das muss er nun bei den Verhandlungen unter Beweis stellen.
Eine erste Arbeits(rollenver)teilung hat er bereits vorgenommen. Eine Einladung zur Inauguration von Donald Trump am Montag habe er ausgeschlagen. Er müsse sich um Österreich kümmern. Seinerstatt ist nun Juristin und Mandatarin Susanne Fürst auf dem Weg nach Washington. Vielleicht ein Vorgeschmack darauf, wie er sein Rolle und sein Regierungsamt in spe anlegt.
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