Binnen kürzester Zeit hatte Spacey alles verloren: Netflix vollendete die letzte Staffel von „House of Cards“ ohne ihn (man ließ die Figur Frank Underwood im Drehbuch sterben), Ridley Scott schnitt ihn aus seinem damals aktuellen Film „Alles Geld der Welt“ nachträglich heraus. Neue Hollywood-Rollen? Nein, danke, denn: #metoo!
Während Weinstein die ersten Jahre seiner zweistelligen Haftstrafe abgesessen hat, ist Spacey weiterhin ein freier Mann. In einem ersten Prozess in New York wurde er freigesprochen. Seit gestern Mittwoch steht er in London vor Gericht. Hier werden ähnlich gelagerte Vorwürfe, die sich zwischen 2001 und 2013 zugetragen haben sollen, verhandelt. Spacey glaubt daran, auch hier freigesprochen zu werden.
Was hieße es denn, wenn der Mann, der seit Herbst 2017 als Aussätziger durch die Welt geht, auch hier unschuldig wäre? Eines ist klar: Er wurde nicht völlig ohne Anlasse „gecancelt“, wie Skeptiker meinen.
So hatte er sich nach den Rapp-Vorwürfen sehr fragwürdig verteidigt. Sinngemäß meinte Spacey, er sei eben lange Jahre heimlich schwul gewesen und oute sich nun. Eine seltsame Botschaft, die nicht nur falsch, sondern verheerend ankam: Wollte er hier mit einem Outing Übergriffe relativieren oder wegwischen?
Außerdem waren rund um Spaceys Verhalten jüngeren Männern gegenüber viele Vorwürfe laut geworden, die zumindest ein fragwürdiges Bild zeichneten. Kevin Spacey fiel nicht plötzlich vom Himmel: Er hat die Grenzen überschritten und stürzte deshalb ab.
Die Öffentlichkeit ist nicht übermoralisch: Gerade bei sexuellen Übergriffen ist die Glaubwürdigkeit von Opfern stets in Gefahr. Und nicht alle Vorwürfe lassen sich letzten Endes beweisen – siehe auch die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann. Die Debatte über sie muss aber geführt werden.
Es geht schließlich um ein übergeordnetes Gut: Wie können wir sicherstellen, dass Menschen ihre Macht nicht missbrauchen und andere unterwerfen?
Die Ansprüche wurden höher. Das ist gut so.
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