Johannas Fest: Darf man bei einer Einladung Schinkenfleckerl servieren?

"Ist Hausmannskost salonfähig?", fragt sich Gastrosophin Johanna Zugmann.
Johanna Zugmann

Johanna Zugmann

Auch wenn die „Cucina povera“, die Küche der armen Leute, im Trend liegt, stellt sich die Frage: Ist Hausmannskost salonfähig? Darf man bei einer Abendeinladung als Hauptgang Schinkenfleckerl servieren? Das erfordert schon etwas Mut, schließlich ist jede Privateinladung Ausdruck von Wertschätzung gegenüber den Gästen. Je betuchter die Gastgeber, umso kostengünstiger das Dinner, kann man oft beobachten. Womit wieder einmal bewiesen ist, dass man bei den Reichen das Sparen lernt.

I. Schinkenfleckerl knallhart

Als Elvira erst sehr kurz mit Franz, einem sehr erfolgreichen Jungunternehmer verheiratet war, steckten ihre ein paar Jahre später allgemein gepriesenen Kochkünste noch in den Kinderschuhen. Ein Kunde erinnert sich an eine Einladung an ihn und weitere Vorstandsdirektoren, bei der es Schinkenfleckerl gab.

Nun ja, das ist jetzt nicht unbedingt das Menü für ein Gala-Dinner, aber doch ein österreichischer Klassiker. Im legendären Wiener Speiselokal „Motto“ gelten die kleinen viereckigen Nudeln sogar als „signature dish“. Elvira hat sie nur leider ungekocht unter die mit Dotter und Butter schaumig verrührte und mit steif geschlagenem Eiweiß unterhobene Masse gemengt. Wäre das heute passiert, wo man zum Beispiel im Supermarkt nur noch Lasagne-Blätter findet, die nicht mehr vorgekocht werden müssen, hätte man das Malheur als Hoppala werten können. Aber Schwamm drüber! Wo gekocht wird, kann schon einmal etwas anbrennen und schließlich steht der Wille fürs Werk.

II. Networking by Schinkenfleckerl

Maria ist eine schillernde Persönlichkeit: groß, blond, gebildet, schlagfertig und humorvoll. Sie versteht es, sich selbst perfekt in Szene zu setzen und leidet nicht an mangelndem Selbstbewusstsein. In großen staatsnahen Unternehmen hat sie jeweils eine erstaunliche Karriere hingelegt, ehe sie 60-jährig den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. Maria lädt in ihrem Wiener Domizil ausschließlich zu Schinkenfleckerln. Und zwar ausschließlich Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Politik, die etwas zu entscheiden haben. Schließlich machte schon Sokrates deutlich, dass das Prestige der Gastgeber nicht nur mit der Anzahl der Gastfreunde, sondern auch mit der Höhe ihres Ranges stieg. Im Vorfeld lässt Maria eine Sekretärin anrufen, die einem die bevorstehende Ehre einer Einladung zu Schinkenfleckerln mit drei verschiedenen Terminvorschlägen serviert. Vor Ort öffnet dann ein livrierter Diener die Türe, nimmt die Garderobe ab und bedient anschließend bei Tisch mit weißen Handschuhen. Eine ziemlich skurrile Inszenierung der simplen Hausmannskost.

III. Schinkenfleckerl – nicht für alle

Noch skurriler war eine Einladung zu Schinkenfleckerln bei einem inzwischen pensionierten Vorstandsdirektor aus dem Finanzdienstleistungssektor, der auch in vielen Aufsichtsräten oft das Zünglein an der Waage war. Zum Erstaunen der Tischgesellschaft aßen seine Frau und seine Tochter Steaks, weil sie angeblich eine Glutenallergie hatten. Nicht genug damit. Das Staunen steigerte sich noch, als sich der ehemalige Vorstandsdirektor aus dem Backblech ausschließlich die Kruste heraus holte.

Das war nicht nur mutig, sondern eine echte Chuzpe, denn die will schließlich jeder haben!

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