Ja zu 12-Stunden-Tag, aber mit fairen Regeln

Mit dummen Übertreibungen manövriert sich der ÖGB weiter ins Eck. Vernünftig gibt es noch vieles zu bereden.
Josef Votzi

Josef Votzi

„Günther, der Pflasterer“ verlegte tagtäglich bleischwere Steine. Zwei Stunden braucht er vom Aufstehen bis zur Arbeit, 3400 Kilo hat er nach acht Stunden Arbeit „knieend über Kreuz gelegt“. Künftig werde er „noch einmal 1800 kg“ schleppen müssen. „Wenn er schnell heimfahrt, ist er dann um acht Uhr daham – um um vier Uhr wieder aufzustehen ...“. „Günther“ wurde jüngst von Spitzengewerkschafter Willi Mernyi als tragisches Opfer von Kurz & Strache ins Leben gerufen – und sorgt als Internet-Video für Furore.

Mernyi hat einen guten Ruf als Kampagnen-Profi samt gesundem Hang zum Populismus. Sein „Günther“ taugt aber für vieles, aber nicht als Symbolfigur für den 12-Stunden-Tag. Kein Unternehmer, der bis zwei zählen kann, wird einen Pflasterer 12 Stunden arbeiten lassen – weil das heute jede Maschine 24 Stunden ohne zu murren besser kann. Er weiß auch, dass er so nur Geld verlieren würde, weil kein Mensch im gleichen Tempo zwölf Stunden lang schwere Steine schleppt.

Der Zerrbild des Ausgebeuteten hat sich aber längst verselbstständigt. Irregeleitete Gewerkschaftsaktivisten postierten „Günther“-Pflastersteine vor der Haustüre von türkis-blauen Abgeordneten – samt Grabkerze. Der geplagte Pflasterer mutiert so zum lebensgefährlichen Pflasterstein. „Günther“ wurde für den ÖGB so zum Bumerang mit Mühlsteinpotenzial. Mit maßlosen Übertreibungen und missglückten Protestsymbolen, die nur Gewaltfantasien provozieren, arbeitet der ÖGB konsequent mit an seiner Entmachtung. Wer allein mit Versatzstücken aus dem Arbeitermuseum hantiert, ist bald selber dafür reif.

Überfälliger Beitrag zur Entkriminalisierung

Da tut es doppelt wohl zuzuhören, wenn einer offen darüber redet, was wirklich Sache ist. Sepp Schellhorn, Gastro-Unternehmer, Hotelier und Neos-Mandatar, sprach dieser Tage in einem Ö1-Interview (ein Sender, der wirklich den Slogan verdient: Gehört gehört) über die Krux des starren 8-Stunden-Tags und den dringenden Bedarf nach mehr Flexibilität – etwa bei Festen, wo auch der ÖGB-Chef wenig Verständnis dafür hätte, wenn der Kellner mit Blick auf die Stechuhr die Spaßbremse gibt.

Wie lebensfremd die bisherigen Arbeitszeitenregeln waren, weiß jeder, der in Betrieben arbeitet, wo es existenzgefährdet wäre, nach acht Stunden den Löffel oder was auch immer fallen zu lassen. „Um das Geld, das ich für Strafen des Arbeitsinspektorrats ausgeben musste, hätte ich jedem Mitarbeiter einen Dienstwagen kaufen können“, plauderte dieser Tage ein Nobelgastronom aus dem Nähkästchen. Das grüne Licht zum 12-Stunden-Tag ist so zu allererst ein überfälliger Beitrag zur Entkriminalisierung von Managern und Mitarbeitern.

Worüber noch dringend zu reden sein wird, sind faire Regeln für den kommenden 12-Stunden-Tag. Die simple ideologisch gefärbten Parole „Freiwillig“ wird da auf Dauer nicht reichen. Gefragt sind partnerschaftlich ausgehandelte Win-win-Modelle – jenseits von roten Groschenroman-Figuren wie „Günther“, dem Pflasterer.

Kommentare