Infantile Erwachsene: Sie wollen doch nur spielen!

Sind Sie auch "Kidadult"? Die Anzeichen einer kindischen Gesellschaft häufen sich.
Martina Salomon

Martina Salomon

Sie fahren mit dem Tretroller, tragen lila Ringelsöckchen und stellen alberne Selfies auf Instagram: Typisch Kinder? Jein. Immer mehr Menschen wollen, so scheints, nie mehr erwachsen werden. Oder haben Sie vor einigen Jahrzehnten massenhaft Menschen an Dauer(wasser)fläschchen und Nuckel(kaffee)becher hängen sehen?

Immer mehr Männer wollen Peter Pan und Frauen ewig Prinzessinnen sein. Von der Werbeindustrie werden sie darin bestätigt: Mütter und Töchter müssen dieselben Kleider tragen, Jungmänner wollen nicht daheim ausziehen oder stellen der Familie eine Plastikpuppe als Traumfrau vor. Und gestandene Männer aller Altersklassen verwandeln sich im Falle eines Schnupfens in Kleinkinder. Na gut, wenigstens das war immer schon so.

Große und kleine Tyrannen

Neu hingegen ist, dass (scheinbar) Erwachsene die Zeit in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr mit Lesen, sondern mit mobilen Spielen am Handy totschlagen. Es ist anzunehmen, dass daheim weitergespielt wird, während alle behaupten, keine Zeit mehr fürs Kochen zu haben. Egal, statt Mama und Papa kommt der Pizza-Bote. Auch das Frühstück ist abgeschafft, man stapft lieber mit Papp-Kaffeebecher ins Büro. Die Logistikkette „einkaufen, kochen, Geschirrspüler einräumen“ überfordert offenbar immer mehr Bürger. Da sollte man sich dann aber wenigstens nicht über gestiegene Essenskosten aufregen.

Für Kinder ist das durchaus ungesund. Sie wollen Vorbilder und stabile Bezugspersonen, von denen man sich manchmal demonstrativ abheben kann. In Schulen und Kindergärten kämpfen die Pädagogen nicht nur mit den Anforderungen einer multikulturellen Gesellschaft, sondern auch mit Schülern, denen nie Grenzen gesetzt wurden, weil sich ihre Eltern sowohl weigern, Autorität auszuüben, als auch selbst welche anzuerkennen. Sprich: Sie verteidigen ihre kleinen Tyrannen und delegieren deren Erziehung an Institutionen, die damit heillos überfordert sind.

Manchmal kann man dem infantilen Trend aber sogar etwas abgewinnen. Werden wir nicht dauernd mit traurigen Nachrichten bombardiert? Lasst uns die Welt wenigstens mit bunten Herrensocken aufhellen!

Wirklich problematisch wird es allerdings, wenn eine kritische Masse an jungen Menschen nur noch dem Hedonismus frönt. Schließlich haben ihnen viele Politiker jahrelang eingeredet, dass immer andere an der eigenen Armseligkeit schuld sind: die Konzerne, die Ausbeuter unter den Arbeitgebern, die Globalisierung, der Welthandel.

Eigenverantwortung, mündiger Bürger, Leistung? Das sind Begriffe, die aus der Mode gekommen sind – bei Prinzessin Sorglos und Peter Pan. Sie wollen doch nur spielen! Dass sie der Heilige Geist wenigstens zu Pfingsten erleuchten möge, ist kaum zu erwarten.

Wobei der Tretroller dank Wiener Verkehrspolitik bald tatsächlich zum letzten brauchbaren Fortbewegungsmittel in der Stadt werden könnte. Vor allem an diesem Wochenende: Achtung, umfangreiche (chaotische) Öffi- und Ringsperren!martina.salomon

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