Ibiza und das Anrüchige an der Politik

Ein Mann mit Anzug und Maske sitzt in einem Gerichtssaal.
Die Affäre ist noch nicht aufgearbeitet, und das geht über das Strafrecht hinaus. Das Ansehen der Politik ist nicht wiederhergestellt.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Vor fünf Jahren wurde das Ibiza-Video aufgenommen, vor drei Jahren publik. Es sprengte eine Bundesregierung und führte zu Neuwahlen.

Welche Bilanz lässt sich im zeitlichen Abstand und im Lichte der bisherigen Erkenntnisse ziehen?

Verdächtigungen, es habe sich bei der Videofalle um eine politische Intrige gehandelt, haben sich nicht bestätigt. Man erinnere sich: Die FPÖ hat die ÖVP verdächtigt, mit dem Video Neuwahlen zwecks Abräumen der FPÖ zu veranstalten. Sebastian Kurz hatte die SPÖ („Silberstein“) beschuldigt. Manche behaupteten, die ÖVP habe das Video in ihrem Besitz gehabt und dann geschreddert. Und Türkis-Blau-Anhänger verdächtigten „Linke“ oder „Liberale“ hinter der Aktion.

Heute kann man sagen: Die Geschichte ist in einem Milieu aus halbseidenen Geschäftemachern rund um die damalige FPÖ-Führung Strache und Gudenus entstanden. Ein von Strache mies behandelter Leibwächter spielte aus Rache mit, und Strache selbst lieferte mit seinen wüsten Prahlereien, die er offenbar regelmäßig zum Besten gab, unwissentlich die Idee zum Plot.

Das heißt, diese wüste Affäre ist zur Gänze auf FPÖ-Dung entstanden. Und solche Leute sind bis an die Schaltstellen der Republik gelangt. Wie konnte das passieren? Strache ist inzwischen wegen Gesetzeskaufs (nicht rechtskräftig) verurteilt. Der nächste Prozess beginnt demnächst.

Dass die Justiz die individuell Schuldigen zur Rechenschaft zieht, ist im Sinne der Korruptionsprävention unerlässlich. Das gilt auch für den Rattenschwanz an Ermittlungen, die gegen (ehemalige) ÖVP-Exponenten laufen. Aber „Ibiza“ steht für mehr als Strafrechtsdelikte. Davon zeugen auch die ÖVP-Chats, die in der Folge von Hausdurchsuchungen an die Öffentlichkeit kamen.

Die wilden, alkoholgeschwängerten Fantasien des Herrn Strache schienen plötzlich nicht mehr gänzlich unrealistisch. An die Stelle der falschen Oligarchen-Nichte trat plötzlich ein echter Austro-Oligarch, der sich im Finanzministerium etwas bestellen konnte. Posten wurden geschoben, an Netzwerken gewoben, die Res publica dem Eigennutz unterworfen.

„Ibiza“ hat dem ohnehin ramponierten Ansehen der Politik nochmals schwer geschadet. Mehr denn je haftet ihr etwas Anrüchiges an, bei dem man am besten nicht anstreift. Als Martin Kocher sein Professorendasein im IHS aufgab, um Minister zu werden, fragte jeder: Warum um Himmels willen tut er sich das an? Midlife-Crisis?

Eine Konsequenz aus Ibiza sollte sein, dass sich die Politik so herrichtet, dass sie ein attraktives Betätigungsfeld für fähige, selbstständig denkende Menschen wird. Mit Glücksrittern und Handlangern ist kein Staat zu machen.

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