Hitlerhaus: Alles falsch

Der Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers in Braunau ist ein Rückschritt in die Zeit, als Österreich die Opferrolle kultivierte.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Es gibt Themen, bei denen man viel verlieren kann. Und Themen, bei denen man nur verlieren kann. Zumindest dann, wenn man die öffentliche (und auch die veröffentlichte) Meinung zu stark im Fokus hat und nur nicht anecken will. Das ist beim Umgang mit dem Hitlerhaus in Braunau der Fall.

Was auch immer man damit macht – es ist aus Sicht vieler Menschen falsch. Die Braunauer selbst, oder zumindest ein Teil von ihnen, wollen garantiert anderes als die Entscheidungsträger im Innenministerium (warum dieses sensible Thema dort und nicht etwa im Kanzleramt, im Kulturstaatssekretariat oder im Kultusministerium angesiedelt ist, kann man sowieso niemandem plausibel erklären). Nicht einmal die Historiker sind sich einig, was damit geschehen soll. Was jedoch jetzt passiert, ist in jeder Hinsicht falsch. Politisch, ideologisch, menschlich. Noch dazu in einer Zeit, in der es mit Erinnerung ohnehin immer schwieriger wird, weil es bald keine Zeitzeugen mehr gibt.

Das Hitlerhaus, in Braunau auch bekannt als das „gelbe Haus“ (schon das eine Verharmlosung), wird künftig als Polizeistation genutzt. Uniformierte in diesem historisch belasteten Ambiente – nicht automatisch das beste Signal, selbst wenn es vielleicht Alt- und Jung-Nazis davon abhält, das Haus zu ihrer Pilgerstätte zu machen. Wesentlich schlimmer ist aber, dass kein Gedenkraum angedacht ist, nicht einmal eine Gedenktafel. Innenminister Karl Nehammer, der die „heiße Kartoffel“ von Vorgänger Wolfgang Peschorn geerbt hatte, sprach bei der Präsentation des Architekturkonzepts von „Neutralisierung“ (ein schreckliches Wort). Kann und soll man Hitler „neutralisieren“? Niemals! Sogar der Gedenkstein vor dem Haus, der an die Millionen Opfer erinnert, soll laut (dafür gar nicht zuständigem) Innenministerium verräumt werden. Wird das Hitlerhaus dafür im Bezirksmuseum thematisiert? Geh, wo ...

Dass der nunmehrige Entwurf mit seinem Umbau zurück ins 17. Jahrhundert geht, ist vielleicht ganz hübsch, versucht aber auch, die dunkelsten Stunden der Geschichte vergessen zu machen. Lauter aktive Maßnahmen gegen die Gedenkkultur.

Nun wäre es möglicherweise problematisch, aus dem Haus ein Museum im klassischen Sinn zu machen, weil das auch unerwünschte Besucher anziehen könnte. Aber gar keine Gedenkstätte mehr? Dieses so beliebte Unter-den-Teppich-Kehren anstelle einer Aufarbeitung, das Weg- statt das (durchaus schmerzhafte) Hinschauen erinnert an eine viel zu lange Epoche, in der sich das Land gemütlich in der Opferrolle eingerichtet hatte. Es wirkt wie ein Rückfall in die Zeit vor 1991, als Franz Vranitzky als erster Kanzler die Mittäterschaft Österreichs eingestand. Ein Wahnsinn, dass man 2020 immer noch diskutieren muss, wie man mit einem Hitlerhaus umgeht.

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