Grenzen dicht zu Orbán: Kurz’ kalkulierte Kurs-Korrektur

Der Rechtsblinker hat vor EU-Wahl Pause. Gegen Orbán, Salvini, Strache & Co ist am Mittelstreifen mehr zu gewinnen.
Josef Votzi

Josef Votzi

Sebastian Kurz sagt von sich selbst, dass er allein dann die Fassung verlieren kann , „wenn ich etwas als ungerecht finde“. Als ungerecht empfindet der Kanzler, dass er seit Amtsantritt in die Nähe seines ungarischen Amtskollegen und Parteifreunds Viktor Orbán gerückt wird. Daran stimme so gut wie nichts, lässt Kurz , wann immer darauf die Rede kommt, ungewohnt heftig wissen: Beginnend damit, dass sein erster Besuch nicht – wie oft geschrieben – Orbán, sondern dem niederländischen konservativ-liberalen Premier Mark Rutte galt. Nachhaltige Wirkung zeigte das bisher nicht.

Zu nahe an Orbán & Co waren zuletzt auch Rhetorik und Politik von Türkis-Blau in Sachen Flüchtlinge.

Umso mehr aufhorchen lässt Kurz’ jüngster Kurswechsel: Die türkisen EU-Abgeordneten, ließ der ÖVP-Chef wissen, werden für das hochnotpeinliche Prüfverfahren stimmen, ob Ungarn in Sachen Menschenrechte, Pressefreiheit & Co noch Platz in der EU hat. Auch wenn es eine Überraschung wäre, dass sich dafür heute die nötige Zweidrittelmehrheit findet – Kurz selbst kann in diesem Polit-Poker nur gewinnen: Muss Orbán tatsächlich ins EU-Winkerl, waren die Türkisen vorne mit dabei. Bleibt Orbán einmal mehr die Schmach erspart, hat Kurz in jedem Fall ein zu Hause überfälliges Zeichen gesetzt.

Der VP-Kanzler steuert nach monatelangem, heftigem Rechts-Blinken wieder die mittlere Fahrspur an. Nicht nur, aber auch wegen des ersten bundesweiten Stimmungstests, der EU- Wahl im Mai 2019. Mit einem Europa, das auch drei Jahre nach der großen Flüchtlingswelle noch immer um eine Linie ringt, haben Orban, Strache, Salvini & Co mehr denn je ein leichtes Spiel. Für noch einen, der Brüssel als billigen Reibebaum benützt, ist da kein Platz mehr. Ab sofort lautet die Parole bei Türkis: Der Kampf um den besten Platz in der breiten Mitte ist neu eröffnet.

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