Warum gerade Österreich ein Haus der Geschichte braucht

PRESSEFÜHRUNG "MQ-SKULPTURENPROJEKT: JUBILÄUMSJAHR FISCHER VON ERLACH" - KÜNSTLERISCHE GESTALTUNG DER BAROCKEN HAUPTFASSADE: MUSEUMSQUARTIER
2028 soll die Republik ein Haus der Geschichte bekommen, das den Namen verdient. Das ist wichtig für dieses Land.
Georg Leyrer

Georg Leyrer

Man müsste sich wohl nur wenig strecken, um all die Pointen abzupflücken, die sich im sehr österreichischen Begriffsdreieck Republik, Geschichte und Museum anbieten: Ein Land, das weltweit ohnehin (fast) nur für Leistungen der fernen Vergangenheit bekannt ist, gönnt sich auch noch ein Museum, in dem es einen Blick auf seine eigene Geschichte wirft. Brauchma das?

Mehr lesen: Das Haus der Geschichte Österreich übersiedelt ins Museumsquartier

Aber ja! Denn parallel zur Sisi-Mozart-Schnitzel-Außensicht auf das Land gibt es eine ebenso festgefahrene Innensicht, die, will man einmal einen Weg in die Zukunft finden, dringend reflexiv aufgeweicht gehört. Das Land trägt Wunden und Verwundungen mit sich, die bis heute nachwirken.

Das zeigte sich auch beim jahre-, wenn nicht jahrzehntelangen Streit, der dem Haus der Geschichte voranging. In den Herzen der zwei einst großen politischen Strömungen brennt die Historie noch lichterloh, man hat aus den 1920ern und 1930ern Rechnungen offen, die die Emotion zueinander bis heute bestimmen.

Das ist einerseits verständlich, man hat aufeinander geschossen, die Demokratie einge- und dann bei der erstbesten Tür wieder hinausgeführt. Andererseits verstellt das alte Gift zuweilen den Weg ins Heute und ins Morgen. Und der Nachkriegskonsens, aus dessen Geist heraus die Zweite Republik gegründet wurde, entschwindet zusehends. SPÖ und ÖVP ziehen sich – siehe die Diskussionen um Kurz und Babler und die Defensivhaltung gegen die FPÖ – in alte argumentative Schützengräben zurück. Umso eifersüchtiger wachte und wacht man über ein Museum, das genau in diese historischen Brennpunkte hineinlangt. Nicht umsonst gibt es in St. Pölten ein eigenes Haus der Geschichte.

Die Republik ist, zum Glück, weit mehr als die Befindlichkeiten ihrer politischen Parteien. Auch abseits dessen gibt es viel Reibung: Wir sind ein Lieber-doch-nicht-Einwanderungsland in der Ära der Migration, ein Autoland am Ende des Autozeitalters, eine Kulturnation jetzt, da die Auseinandersetzung mit Kultur immer mehr zum Orchideenstudium wird. Wir sind zugleich im Herzen und am Rande Europas und versuchen, daran vorbeizukommen, uns für die Zukunft zu positionieren.

Es ist ein Land, in dem viele den Holocaust gerne vergessen würden, und das jetzt gerade wieder debattiert und debattieren muss, wie präsent in den alten und den neuen Teilen der Bevölkerung die eigene Geschichte ist. All das könnte man fundiert miteinander ausverhandeln, genau dafür braucht es ein Haus der Geschichte ab 1848 (und nach Meinung vieler ein eigenes Holocaustmuseum).

Wie viel uns diese Auseinandersetzung finanziell wert ist, das bestimmt übrigens erst die nächste, die übernächste Regierung. Dem Wahltrend nach wird auch diese Schmerzenspunkte in der Geschichte haben, die ins Museum gehören.

Warum gerade Österreich ein Haus der Geschichte braucht

Kommentare